Sebastian Koch: "Es war immer gefährlich"
Der erste Teil startete am Sonntag schwach. Doch am Mittwoch könnte „Seewolf“ Sebastian Koch mehr Zuschauer locken – immerhin machen ihm weder der „Tatort“ noch Bruce Willis Konkurrenz. Der 47-Jährige über den anstrengenden Dreh, seinen eigenen Freiheitsdrang und die Schattenseiten seines Berufes
AZ: Herr Koch, ist das jetzt die wahre Verfilmung von Jack Londons „Seewolf“?
SEBASTIAN KOCH: (lacht) Ja, die wahre Verfilmung – endlich. Es ist eine sehr gute Verfilmung, die sehr nah am Buch ist. Nigel Williams hat es geschafft, die Essenz dieses Romans in ein Drehbuch zu packen – mit kleinen Kompromissen. So fängt bei uns die Liebesgeschichte schon etwas früher an als im Buch.
Was ist denn die Essenz?
Das Buch wirft eine Frage auf, die für jede Generation wieder relevant ist: Wie weit kann ich meine Freiheit leben, völlig grenzenlos und ohne Rücksicht auf Verluste? Und wie weit muss ich der Gesellschaft, in der ich lebe, Rechnung tragen. Wolf Larsen sagt: „Mir ist das alles scheißegal. Ein Leben zählt gar nichts.“ „Der Seewolf“ ist nicht irgendeine Abenteuergeschichte, sondern Weltliteratur.
Kann ein TV-Film das überhaupt transportieren?
Nein, letztendlich kann das kein Film leisten. Deswegen habe ich die Geschichte auch als Hörbuch eingelesen. Ich bin aber dennoch sehr gespannt, was junge Leute von dem Film halten. Ich hatte jetzt 38 Jahre nach Harmstorf die Chance, mich wieder mit dem „Seewolf“ zu beschäftigen. Damals war ich hin und weg von dem Freigeist eines Wolf Larsens. Mit elf, zwölf Jahren ist man ja in dem Alter, in dem man sich zu befreien beginnt und die ersten Schritte vom Elternhaus weg macht. Wolf Larsen war ein Vorbild. Er hat sich meiner Generation eingeprägt. Ich bin gespannt, ob wir das bei der jüngeren Generation jetzt wieder schaffen.
"Ich versuche nur das zu machen, was ich will"
Wie sieht es mit Ihrem eigenen Freiheitsdrang aus?
Ich versuche mich relativ frei durch dieses Leben zu bewegen, folge meinem Instinkt und versuche nur das zu machen, was ich machen will. Bisher klappt das ganz gut. Ich habe keine Seilschaften, über die heute ja fast alles funktioniert. Politiker betonieren ihre Macht durch extreme Vernetzung. Larson fordert diese Macht heraus. Er liebt wie ein Straßenköter den Kampf, will sich reiben. Er kriecht niemanden in den Arsch. Das gefällt mir.
Der Dreh fand auf einem Schiff im Atlantik statt. Wie sehr ging der an Ihre Grenzen?
Mit so vielen Leuten auf einem so engen Raum zu arbeiten ist einzigartig. Man kann sich ja nicht zurückziehen, höchstens ins Wasser springen. Und das kann man nicht, weil es so kalt ist. Jeder musste zurückschrauben, um diese kleine Gemeinschaft am Laufen zu halten.
"Es grenzt an ein kleines Wunder, dass nichts passiert ist"
Fiel Ihnen das schwer?
Die Arbeit war extrem energetisch. Ich wollte das Beste rausholen und da geht es schon mal zur Sache. Wir sind jeden Tag eineinhalb Stunden vom kanadischen Halifax aufs Meer rausfahren und abends wieder rein. Bei der Rückfahrt hatten wir teils wunderschönen Sonnenuntergänge, davor hüpften Seehunde, sehr romantisch eigentlich. In dieser Zeit kam man wieder runter. Ich fand sehr beeindruckend, wie sich die Energie jeden Tag zusammen erst entfacht und dann wieder beruhigt hat.
Die Rolle ist sehr körperlich. Mussten Sie lange trainieren?
Ich war vier, fünf Wochen lang jeden Tag mit einem Trainer im Studio und habe extrem Muskeln aufgebaut. Der Körper wird im Roman ja drei Seiten lang beschrieben. Aber es ging mir auch darum, zu spüren, wie kräftig dieser Mensch ist, der mit seinen Händen töten kann. Und beim Dreh war ich heilfroh um jeden Muskel, mit dem ich den Seegang ausgleichen konnte.
Wurde es auch mal gefährlich?
Gefährlich war es immer. Es grenzt an ein kleines Wunder, dass nichts passiert ist. In einer Szene stand ich in der Eiseskälte am Bug – bei einem Wellengang von acht, neun Metern. Wäre man ins Wasser gefallen, hätte man bei den Temperaturen höchstens fünf bis sechs Minuten überlebt. Da fragt man sich schon mal: Was mache ich da eigentlich?
Sie haben in München Schauspiel studiert. Denken Sie gern an die Zeit zurück?
Klar, ich war Anfang 20 und München war die erste Großstadt, in der ich lebte. Ich war sehr beeindruckt. Insgesamt habe ich vier Jahre in München gelebt, später aber auch immer wieder Filme hier gedreht. Ich werde immer eine Verbindung zu der Stadt haben und fühle mich sofort daheim, wenn ich hier bin.
Stimmt es eigentlich, dass Sie bei der Aufnahmeprüfung William Shakespeare auf Schwäbisch vorgetragen haben?
Ja den Sommernachtstraum. Das sollte einfach ein Gag sein. Aber ich glaube, ich habe damals alles mehr oder weniger auf Schwäbisch vorgetragen, weil ich es nicht anders konnte.
Im August haben Sie die Trennung von der Schauspielerin Carice van Houten bekannt gegeben. Durch die berufliche Belastung haben Sie sich zu selten gesehen. Ist das der Preis, den ein Schauspieler zahlen muss?
Natürlich hat mein Beruf Konsequenzen. Aber dafür führe ich ein wunderbar aufregendes und vielseitiges Leben.
Sie haben eine 13-jährige Tochter in Berlin. Wie findet sie das?
Mein Beruf ist definitiv familienfeindlich. Trotzdem sehen wir uns oft und regelmäßig. Aber es gehört eben dazu, dass ich unterwegs bin. Außerdem habe ich jetzt, nach dem „Seewolf“ gerade ein Jahr Pause gemacht.
Angelika Kahl
"Der Seewolf", zweiter Teil am Mittwoch, 4. November, 20.15 Uhr, im ZDF
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