Schwerelos im Rüschenrausch
Die Topstylisten von Virgin müssen mindestens auf Speed gewesen sein. Oder Diana hat, passend zum saukomischen bayerischen Fasching, ihr Funkenmariechenkostüm aus dem rosaroten Schrank gekramt, der noch bei den Eltern in Günzburg steht. Und chapeau! Mehr noch muss man sich die neckische Robbenpose in diesem explodierten Beige erst mal trauen.
Jedenfalls hatten wir alle Hände voll zu tun, die CD mit dem wenig geistvollen Titel „Poesie”, vor den gierigen Griffeln der Redaktionskollegen in die Sicherheit eines abschließbaren Players zu bringen. Dann allerdings offenbarte sich Wundervolles. Grandioses! Denn die komplette CD-Crew schwelgt in ihrer Spezialität: Diana Damrau, Christian Thielemann und die zur Abwechslung mal wieder wohl temperierten Münchner Philharmoniker haben sich an die Lieder von Richard Strauss gemacht. Und die waren auch in der Strauss-Hochburg München lange nicht mehr so überzeugend, so aufregend, so farbenreich zu hören.
Die Damrau hat ihre überdreht verzwitscherte Mädchenhaftigkeit abgelegt, ruht endlich in sich. Das tut dem nervös aufgeladenen Flirren und mehr noch den weit gespannten Klangbögen gut. In der Brentano-Vertonung „An die Nacht” etwa oder im traumschönen „Morgen!”, der an Wirkmacht nie eingebüßt hat. Natürlichkeit ist die große Stärker dieser Sängerin, nicht einmal der „Amor” mit seinem Ornat aus silbern schillernden Zerbinetta-Girlanden klingt manieriert – und die Gefahr lauert in jeder Note.
Dass Strauss noch über die größte Ausgelassenheit einen zarten Schleier der Melancholie gelegt hat, wann nimmt das je so wahr? Thielemann und seine Noch-Philharmoniker lassen den Klang behutsam schweben, schwerelos und subtil noch im rauschhaften Aufbrausen. So duften nur Träume.
Christa Sigg
CD „Poesie”, Virgin Classics