Schwarz zurück aus Afrika

Nach „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?” oder „Der Gott des Gemetzels” setzt nun auch Roland Schimmelpfennig Paare aufeinander an: „Peggy Pickit sieht das Gesicht Gottes” im Cuvilléstheater
Mathias Hejny |
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Wer seinen Albee kennt, fühlt sich heimisch. Schon die aufgekratzt fremdelnde Begrüßung zwischen zwei Paaren lässt ahnen, dass das Treffen ungut verlaufen wird. Da Yasmina Reza diese Konstellation längst zum Anlass virtuoser Komödiantik nimmt, hält sich Roland Schimmelpfennig nicht lange mit Entlarvungsdramaturgie auf: „Es war eine komplette Katastrophe” bilanziert Gastgeber Frank mit dem ersten Satz des Stückes und macht klar: Hier zerbröseln mittelständische Fassaden.

Wie Schimmelpfennig versucht Martin Kušej bei seiner Inszenierung von „Peggy Pickit sieht das Gesicht Gottes” jeden Verdacht auf Edelboulevard zu zerstreuen. Bühnenbildnerin Annette Murschetz sperrt für die in München eingetroffene Produktion des Deutschen Theaters Berlin die fürchterlichen Vier in einen gleißend kalt beleuchteten Brutkasten der Schuldgefühle, in dem mit Kunstpausen entschleunigte Dialoge geführt werden.

Es regnet metaphernden Müll

In den letzten sechs Jahren bekamen Liz und Frank eine Tochter, Carol und Martin leisteten medizinische Entwicklungshilfe in Afrika. Oder wie Liz es formuliert: „Ihr setzt euer Leben ein, um anderen zu helfen, und wir machen das Garagentor auf und zu.” Was beide Paare aber wirklich trennt, ist, dass Carol und Martin um eine Illusion ärmer, aber um die Zerstörung einer Illusion reicher sind: Sie haben nicht nur nichts erreicht, sondern mussten ihr Ziehkind einem mörderischen afrikanischen Alltag ausliefern.

Peggy Pickit, ein barbie-artiges blondes Plastikpüppchen, und eine aus Afrika mitgebrachten Holzfigur, deren Konfrontation die Neokolonisation Afrikas durch gute Menschen aus Europa aufdringlich symbolisieren, sind, bis es metaphernden Müll regnet, die einzigen Requisiten. Das Darsteller-Quartett ist als Bedeutung tragende Puppen-Spieler im leeren Raum völlig auf sich zurückgeworfen. Maren Eggert, Sophie von Kessel, Ulrich Matthes und Norman Hacker machen das Beste daraus: Von ihrer übellaunigen Stehparty aus feuern sie so viele unwiderstehliche Schauspielerkunststückchen ins Cuvilliéstheater, bis das Publikum sie bezaubert ans Herz drückt.

Cuvilliéstheater, 14. und 22.11., 1. und 9.12., 20 Uhr (1. 12.: 20.30 Uhr), Tel. 21851940

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