Schumanns Architektur-Lösung: Kaffee für alle
Architektur-Quartett mit Barkeeper serviert Galileo-Bau ab und jubelt über St. Nikolaus
So entspannt ist die Architekturkritik selten: Zwischen Messe-Feierabend auf der „Bau 2009“ und „After-Bau-Party“ luden das Magazin „Baumeister“ und das Software-Haus Nemetschek zum Architektur-Quartett.
Diesmal mit dem größten Experten, den München in Sachen stilvolles Abhängen aufbieten kann: Charles Schumann, Barkeeper der Nation, der als „prominenter Laie“ vorgestellt wurde und sich gleich selbst eine „Architektur-Flasche“ nannte. Olympia-Architekt Fritz Auer sowie die Journalisten Gerhard Matzig („SZ“) und Wolfgang Bachmann („Baumeister“) konnten sich noch so sehr in die Fürs und Widers dreier aktueller Architekturen hineinwinden, Schumann hatte die Lösung für alle und alles: „Besucher müssen sitzen und trinken können“ empfahl er für die Eingangshalle des Galileo-Kontrollzentrums in Oberpfaffenhofen (Architekten: Schultes/Frank). „Übers Museumscafé kann das funktionieren“, so seine Prognose für die Sammlung Brandhorst (Sauerbruch/Hutton). Nur das Kirchenzentrum St.Nikolaus in Neuried (Meck Architekten) braucht keine Espresso-Maschine: „Ich liebe solche Räume, da könnte ich wohnen.“
Hart ins Gericht
Das lockerte die Stimmung der kritischen Geister, die nur mit dem Galileo-Bau richtig hart ins Gericht gingen: Die konkav geschwungene Fassade sei eine „Geste ins Nichts“, die aufgeschnittenen Beton-Hohlkörper in der Eingangshalle „leere Formen“, die Büros „armselig“, die Arbeitsplätze „unangenehm“. Selbst das einzige Lob klang da eigentlich wie Hohn: „Der Beton“, so Matzig, „ist aber herausragend gut verarbeitet.“
Die Diskussion zur Sammlung Brandhorst war gepflegtes Einerseits-Andererseits: „Ärgerlich“ und „inkompatibel“ die Blockrandbebauung, aber „sensationell“ das Öko-Energie-Konzept. Vielleicht steht das ganze Haus an der falschen Stelle, oder bräuchte einen anderen Eingang, vielleicht aber auch nicht.
Halt nur bei der Kirche
Wie schön ist es da doch, wenigstens beim Glauben Halt zu finden: Die Hymnen aufs schwergewichtig-skulpturale Neurieder Kirchenzentrum sang der Kritiker-Chor mehrstimmig: Matzig wollte, wenn er’s nicht schon wäre, dort auf der Stelle katholisch werden, Auer wusste nicht, wie noch mehr „abstrakte Erleuchtung“ in einem Raum möglich sein könnte, Bachmann war einfach nüchtern begeistert.
Zur radikalen Formensprache dieser oberflächlich „leeren“ Kirchenarchitektur merkte Schumann an, dass sie „vor allem den älteren Menschen erst vermittelt werden“ müsse. Da sprach er nicht aus, was aber schon alle dachten: Am besten bei einem guten Kaffee. Bei der abschließenden Publikumsabstimmung deckte sich das Meinungsbild mit dem des Podiums.
Michael Grill
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