Schriftsteller Adolf Endler gestorben

Berlin (dpa) - Adolf Endler hat sich selbst als eine der «verwachsensten Gurken der neuen Poesie» gesehen, andere nannten den poetischen «Übervater vom Prenzlauer Berg» auch ein «Irrlicht der DDR-Literatur» und das weithin «unbekannte Genie der deutschen Literaturszene».
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Berlin (dpa) - Adolf Endler hat sich selbst als eine der «verwachsensten Gurken der neuen Poesie» gesehen, andere nannten den poetischen «Übervater vom Prenzlauer Berg» auch ein «Irrlicht der DDR-Literatur» und das weithin «unbekannte Genie der deutschen Literaturszene».

Später Ruhm wurde dem Schriftsteller als «Tarzan vom Prenzlauer Berg» nach dem Fall der Mauer auch im Westen Deutschlands zuteil. Am Sonntag ist der Lyriker, Essayist und Prosaautor im Alter von 78 Jahren nach langer schwerer Krankheit in Berlin gestorben, wie der Wallstein Verlag Göttingen am Montag mitteilte.

Als «Vater der oppositionellen Literaturszene» vom Prenzlauer Berg in Berlin war ihm die Stasi ständig auf der Spur. Der am 20. September 1930 in Düsseldorf geborene Endler ging 1955 als Jungkommunist in die DDR, wo er aber bald als Unruhestifter und Außenseiter ins Visier genommen wurde. Er kurvte nicht nur zwischen den «extremen Polen sozialistischer Realismus und Dadaismus/Surrealismus», sondern auch zwischen Mecklenburg, Oberlausitz, Leipzig und Berlin hin und her. Kritiker bescheinigten ihm später eine «unideologische und keinesfalls beckmesserische» Abrechnung mit der Wirklichkeit im sozialistischen «Arbeiter- und Bauernstaat».

Vieles was er in dieser Zeit mit seinen wortwitzigen bis bitterbösen Texten über den «extraordinären Kontinent der DDR-Welt» öffentlich nicht sagen konnte, vertraute Endler ab 1978 seinen Tagebüchern an. 1994 veröffentlichte er daraus den Band «Tarzan am Prenzlauer Berg». Die «Sudelblätter» schildern das trotz Schikanen und Stasi-Ausspähung auch turbulent-fröhliche Dissidenten-Leben in den Kaschemmen und Hinterhöfen im Berliner Bohème-Viertel Prenzlauer Berg. Zu DDR-Zeiten musste Adolf Endler viel einstecken, zähmen ließ er sich nicht. Der «Eulenspiegel», wie ihn Literaturkritiker mitunter nannten, wurde über Jahre so gut wie nicht gedruckt, aber die Feder gab er deshalb nie aus der Hand.

Bereits mehrfach kramte der Autor für seine nach der Wende vorgelegten Bücher in «Kartons und Seesäcken», in denen die im SED- Staat unerwünschten Schreibarbeiten überwiegend gelandet waren. Seine heiter-sarkastischen Betrachtungen aus einem untergegangenen Staat, 2005 veröffentlicht in dem Buch «Nebbich. Eine deutsche Karriere», sprechen jeder DDR-Nostalgie Hohn. In der «Autobiografie in Splittern» versammelte Endler unter anderem skurrile Tagebuchblätter, zeitkritische Glossen, bitterböse Collagen und essayistische Porträts. Durch die Seiten geistern ein weiteres Mal die beiden raffiniert-witzigen Antihelden Bubi Blazezak und Bobbi Bergermann. Zuletzt erschienen 2007 «Krähenüberkrächzte Rolltreppe - Neunundsiebzig kurze Gedichte aus einem halben Jahrhundert» und 2008 «Nächtlicher Besucher, in seine Schranken gewiesen. Eine Fortsetzungszüchtigung».

«Nebbich» war als «komplexes Gesellschaftsgemälde» von dem Autor in acht oder 13 Bänden angekündigt. Endler studierte am Leipziger Literaturinstitut Johannes R. Becher. Nach anfänglichen Agit-Prop- Gedichten des «sozialistischen Sängers» in Nachfolge eines Majakowski stieß er schnell an die Grenzen diktatorischer Machtausübung und des damit einhergehenden Kulturdogmatismus. 1979 wurde Endler zusammen mit anderen ostdeutschen Literaten wie Stefan Heym, die gegen die Ausbürgerung Wolf Biermanns aus der DDR protestiert hatten, aus dem DDR-Schriftstellerverband unter Leitung eines Hermann Kant ausgeschlossen.

Auch mit Büchern wie «Ohne Nennung von Gründen» (1985) oder «Schichtenflotz. Papiere aus dem Seesack eines Hundertjährigen» (1987) machte sich Endler im Westen einen Namen, während er im Osten gegen die Willkür der Zensur anrannte. Als ersten Gedichtband ließ er «Das Sandkorn» (1974) gelten. Sand wollte er ins Getriebe der DDR werfen. Bis zum Erscheinen einer ersten repräsentativen Gedichtsammlung vergingen nach dem Mauerfall noch einmal zehn Jahre. «Der Pudding der Apokalypse» enthält auch jene Texte, mit denen der unangepasste Lyriker das SED-System attackiert hatte. «Ich bin einer der wenigen ostdeutschen Autoren, die im Osten wie im Westen einen Fan-Kreis haben», freute sich Endler.

Er wurde unter anderem mit dem Heinrich-Mann-Preis, dem Brüder- Grimm-Preis, dem Peter-Huchel-Preis und dem Hans-Erich-Nossack-Preis ausgezeichnet. Von 1967 bis 1978 war der Autor mit der Lyrikerin Elke Erb verheiratet.

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