Schlager oder Schläger?

Die Angst vor Gewalt gegen Schwule überschattet den Grand Prix in Moskau. Die Politisierung des Schlagerfestes ist im vollen Gange
von  Abendzeitung

Die Angst vor Gewalt gegen Schwule überschattet den Grand Prix in Moskau. Die Politisierung des Schlagerfestes ist im vollen Gange

Fast 30 Millionen Euro hat Russland in die Schlager-Show investiert. Nicht weniger als den aufwändigsten Eurovision Song Contest (ESC) der Geschichte wolle man inszenieren, so die Ankündigung. Der Skandalträchtigste ist er schon jetzt. Erst zog Georgien seinen Beitrag zurück. Die russischen Veranstalter hatten in dem Song „We Dont Wanna Put In“ eine Kritik an Wladimir Putin erkannt und verlangten Textänderungen. Dann holten russische Grenzer den lettischen Sänger Intars Busulis aus dem Zug, weil ihnen der Pass des Balten verdächtig erschien. Und jetzt wächst in Moskau gar die Sorge vor Gewalt gegen Schwule und Lesben bei deren traditionellen Feiern zum ESC.

Moskaus Oberbürgermeister Juri Luschkow, der Homosexuelle einmal als Satanisten bezeichnet hatte, ließ die Parade verbieten. Russlands Schwulen- und Lesbenverband hält an der Demonstration fest, um auf die Einhaltung der Menschenrechte für Homosexuelle zu pochen. „Wir werden so vorgehen wie bei jeder anderen nicht erlaubten Veranstaltung“, kündigte ein Polizeisprecher in Moskau an. Schon mehrmals war es bei Demos von Homosexuellen zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Polizei, Rechtsextremen und religiösen Fanatikern gekommen.

Guildo Horn: "Das ist ja wie im Mittelalter"

„Ich konnte vor Wut nicht schlafen, als ich erfuhr, dass die friedliche Schwulenparade verboten ist“, sagte das deutsche Jury-Mitglied Guildo Horn der „SZ“. „Wir leben im Jahr 2009, das ist ja wie im Mittelalter.“ Moskauer Medien indes warnten bereits vor „einer Verschwörung der Lesben und Schwulen“. Das Zurschaustellen von Homosexualität wird in der russischen Gesellschaft als unmoralisch und verwerflich verurteilt. Auch der deutsche Beitrag Alex Swings Oscar Sings hatte in der russischen Presse für Aufsehen gesorgt, nachdem Sänger Oscar Loya seine Beziehung zu einem Mann öffentlich gemacht hatte.

Auf der Bühne könnte es während der Finalshow zu Protesten kommen. Das niederländische Männertrio De Toppers kündigte „eine Geste“ in der Live-Show an, sollte es bei der Schwulen- und Lesbendemo zu Gewalt kommen.

Scharfe Kritik an den Eurovisions-Machern kommt unterdessen auch von Tierschützern. Streunende Hunde und Katzen sollen „in großem Stil“ eingefangen und vergiftet worden sein, um den Grand-Prix-Touristen ein sauberes Moskau zu präsentieren.

Die ukrainische Teilnehmerin sorgte für ihren eigenen kleinen Skandal. Bei der Gala mit Bürgermeister Luschkow erschien Swetlana Loboda mit Platzwunden im Gesicht und auf dem Körper – ein geschminkter Protest gegen häusliche Gewalt.

aka

Das Grand-Prix-Finale zeigt die ARD am Samstag ab 20.20 Uhr

Die neuen Regeln

Beim Eurovision Song Contest 2009 wird alles anders – zumindest ein bisschen. Fünf Jahre nach der kompletten Abschaffung der Jury haben die Grand-Prix-Macher einen Kompromiss ausgehandelt: Die Zuschauer in den Teilnehmerländern bestimmen weiter per Telefon und SMS ihren Favoriten, gleichzeitig stimmt aber auch eine nationale Jury ab.

Für Deutschland sitzen Guildo Horn, Jeannette Biedermann, H.P. Baxxter (Scooter), Tobias Künzel (Prinzen) und Musikexpertin Silvia Kollek in der Jury. Beide Voten werden je zur Hälfte gewertet – die zehn bestplatzierten Songs bekommen folgende Punkte: Zuerst zwölf, dann zehn und weiter acht bis einen.

Die Europäische Rundfunk-Union (EBU) will damit das sogenannte Nachbarschaftsvoting befreundeter Länder unterbinden, das in den vergangenen Jahren häufig kritisiert wurde. Das Gros der 42 Teilnehmerländer musste – wie schon in den vergangenen Jahren – in zwei Halbfinals um den Einzug ins Finale singen. Die „großen vier“ EBU-Geldgeber Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Spanien sowie Vorjahressieger und Gastgeber Russland sind automatisch gesetzt. Der deutsche Beitrag Alex Swings Oscar Sings mit „Miss Kiss Kiss Bang“ hat die Startnummer 17.

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