Kritik

Schießbude der großen Gefühle

Dreimal Manfredbei den Münchner Philharmonikern unter Omer Meir Wellber
Robert Braunmüller
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Manfred Trojahn (mit Brille), Omer Meir Wellber (3. v. li.) und die Schlagzeuger Sebastian Förschl, Jörg Hannabach, Michael Leopold und Mathias Lachenmayr.
Philharmoniker/Claudia Frasch Manfred Trojahn (mit Brille), Omer Meir Wellber (3. v. li.) und die Schlagzeuger Sebastian Förschl, Jörg Hannabach, Michael Leopold und Mathias Lachenmayr.

Manchmal sagt schon der erste Takt alles. Die Münchner Philharmoniker legten unter dem Dirigenten Omer Meir Wellber bereits den ganzen Charakter von Byrons "Manfred" in die drei Orchesterschläge, mit denen Robert Schumanns gleichnamige Ouvertüre beginnt. Sie wirkten, exakt ausgeführt mit dem vorgeschriebenen Crescendo nervös, fahrig, kraftvoll und zugleich unsicher - genau wie der romantisch brütende Held dieses Poems, das vor allem in seinen Vertonungen überlebt hat.

Im weiteren Verlauf glückte zwar hin und wieder die Balance zwischen Streichern und Holzbläsern in der Isarphilharmonie nicht ganz perfekt. Aber die romantische Zerrissenheit zwischen manischem Enthusiasmus und depressiver Verzweiflung brachte das Orchester unter dem Dirigenten präziser heraus, als es sonst bei Schumanns Werken der Fall ist. Die sind nicht leicht zum Klingen zu bringen.

Nach der Pause folgte die heikle Symphonie von Peter Tschaikowsky über das gleiche Sujet. Auch hier gelang es dem künftigen Generalmusikdirektor der Hamburger Oper, die Kleinteiligkeit der Musik zu einem großen Ganzen zu formen. Der in vielen Aufführungen dieser Symphonie unvermeidliche Eindruck von Geschwätzigkeit stellte sich bei dieser hochkonzentrierten Aufführung nicht ein. Omer Meir Wellber, sonst durchaus ein Freund des krachenden Forte, vermied jede theatralische Übertreibung. Es ist eine Kunst, dieses Werk, an dessen Qualität Tschaikowsky selbst zweifelte, als authentische Musik großer Gefühle erscheinen zu lassen.

Am Ende fehlte Manfreds etwas geschmacksgrenzwertige Erlösung. Omer Meir Wellber ließ - dem Vernehmen nach einer Version des Dirigenten Jewgeni Swetlanow folgend - den Schluss des ersten Satzes wiederholen, weil es in der Isarphilharmonie keine Orgel gibt. Die ist zwar an der Stelle üblich, allerdings gäbe sich die Partitur mit einem Harmonium zufrieden. Den Wert der Aufführung minderte das nicht.

Zwischen der Manfred-Ouvertüre und der Manfred-Symphonie gab es die Uraufführung des Schlagwerkkonzerts eines Komponisten, der wenigstens Manfred mit Vornamen heißt: Manfred Trojahns "Achéron". Das Stück evoziert eingangs mit Zymbeln, zwei Violinen in hoher Lage und Harfe eine kristallin französische Klangästhetik. Doch die vier Schlagzeuger traten als Solisten kaum hervor: Sie begleiteten als Gruppe vorwiegend entfernt an eine Melodie aus Ravels "L'enfant et les sortilèges" erinnerndes Bläsersolo. Dann verlosch das Stück in einer variierten Version des Anfangs.

Es ist in Ordnung, wenn ein Komponist das Schlagzeug einmal nicht als Schießbude mit schwitzenden Akteuren vorführt. "Konzert" im engeren Sinn ist "Achéron" allerdings nicht, weil kein Zusammenspiel der vier Solisten untereinander und mit dem Orchester stattfindet. Eher skurril wirkte die Widmung des Werks in Erinnerung an den 2016 verstorbenen ehemaligen philharmonischen Solo-Pauker und Avantgarde-Pionier Peter Sadlo: Der stark beschäftigte Paukist zählte in Trojahns Werk nicht als Solist, durfte sich nicht verbeugen und bekam auch keinen weitergegebenen Blumenstrauß ab.

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