Scheusals Sehnsucht
Man wusste, dass Hitler malen wollte, aber jetzt erst erhellt eine Studie sein Selbstverständnis als Künstler
Manchmal tut’s mir leid, Politiker geworden zu sein", soll Adolf Hitler 1938 in Rom geseufzt haben. Auch später verließ ihn diese Sehnsucht nicht: „Wenn dieser schreckliche Krieg endlich zu Ende ist, will ich in den Albaner Bergen malen wie so viele Künstler vor mir."
Vieles wäre der Menschheit erspart geblieben, hätte er das von ihm angezettelte Morden sofort beendet und nach dem Pinsel gegriffen. Weil das Thema die Geschmacklosigkeit streift, fehlte unter den alljährlich mit Anmerkungen zu diesem Scheusal bedruckten Tonnen von Papier bislang eine seriöse Studie zu Hitlers Selbstverständnis als Künstler. Birgit Schwarz ist dazu ein erhellendes Buch gelungen.
Hitler verstand sich als verkanntes Genie, wie es die frühen Biografien der Maler Böcklin, Feuerbach oder Markart zu stilisieren liebten. Die Autorin belegt ihre These der Malerbiografien als Lebensmodell schlüssig. Ihr zweites Thema ist der unermüdliche Sammler Hitler. Noch in seinem Testament vom 29. April 1945 verfügt er die Gründung seines lange geplanten Museums in Linz. Das Prachtstück sollte das 1940 für 1650000 Reichsmark angekaufte Gemälde „Der Maler in seinem Atelier" von Vermeer werden. Schwarz erhellt auch ein paar dunkle Winkel in Hitlers Münchner Zeit vor 1914. Damals wollte er, und sei es nur als Tagtraum, als Mitarbeiter des Architekturbüros Littmann gigantische Opernhäuser planen. Wirklich schade, dass daraus ebenso wenig wurde wie aus den Plänen, malend durch südliche Landschaften zu streifen.
Robert Braunmüller
Birgit Schwarz: „Geniewahn. Hitler und die Kunst" (Böhlau, 400 S., 39 Euro). Die Autorin liest heute, 20 Uhr, in der Galerie Tömmel, Schellingstraße 50 Rgb., Tel. 125 93 531
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