Satte Hiebe ins Gedärm
Patricia Kopatchinskaja geigt Beethoven und Konsorten geistreich gegen die Strich
Ihr Temperament ist umwerfend. Und kaum jemand hat in den letzten Jahren so dermaßen gegen den Strich gegeigt wie Patricia Kopatchinskaja. Die junge Frau aus Moldawien kickt Beethoven aus seinem gemütlich-bürgerlichen Fauteuil, genauso bekommen Bartók und Ravel satte Hiebe ins Gedärm.
Und das scheint nicht genug. Im Booklet zu ihrer Debüt-CD ist zu lesen, dass die 32-Jährige Beethoven am liebsten fragen würde, ob man die Kreutzer-Sonate nicht noch extremer spielen könnte. Nein, auf Schönklang ist die Kopatchinsjaka wirklich nicht aus, und man merkt schnell, dass der fein gepflegte Beethoven-Schinken aus dem behaglichen Kaminzimmer im Feuer gelandet ist, im Kopfsatz-Presto lichterloh zu brennen beginnt und selbst im eher braven Andante noch ordentlich glüht. Auch die saftigen Rumänischen Volkstänze von Bartók platzen gleich vor Energie, dazwischen bekommt Maurice Ravel in der G-Dur-Sonate tatsächlich den Blues, um wenig später berauscht in die Absinth-Ekstase abzudrehen.
Kratzbürstig ist das, aufwühlend leidenschaftlich und, ja, immer wieder auch betörend. Denn wenn’s drauf ankommt, gefrieren in Béla Bartóks „Tanz aus Butschum“ die allerzartesten Spinnennetze.
Trotzdem gehört zu dieser Auffassung natürlich ein Wilder am Flügel: Auch der experimentierfreudige Fazil Say zählt weniger zu den Samtpfoten seiner Zunft. Was nicht heißen soll, dass dieses zupackende Duo auf Krawall gebürstet ist. Ganz im Gegenteil, ernsthaft und fern jeder Provokation ist das Ansinnen dieser beiden Vollblutkünstler – und die CD schon jetzt der beste Störfaktor des Jahres 2009.
Christa Sigg
"Kopatchinskaja, Say" (naïve)
- Themen:
- Ludwig van Beethoven