Salzburg: Currentzis dirigiert Purcell

Ein Wunder: Die "Indian Queen" in der Felsenreitschule
Jörn Florian Fuchs |
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Teodor Currentzis mit seinen Musikerinnen und Musikern bei der Aufführung von Henry Purcells "Indian Queen" in der Salzburger Felsenreitschule.
SF/Marco Borelli 4 Teodor Currentzis mit seinen Musikerinnen und Musikern bei der Aufführung von Henry Purcells "Indian Queen" in der Salzburger Felsenreitschule.
Jeanine De Bique in "The Indian Queen".
SF/Marco Borelli 4 Jeanine De Bique in "The Indian Queen".
Teodor Currentzis mit seinen Musikerinnen und Musikern bei der Aufführung von Henry Purcells "Indian Queen" in der Salzburger Felsenreitschule.
SF/Marco Borelli 4 Teodor Currentzis mit seinen Musikerinnen und Musikern bei der Aufführung von Henry Purcells "Indian Queen" in der Salzburger Felsenreitschule.
Dennis Orellana in "The Indian Queen".
SF/Marco Borelli 4 Dennis Orellana in "The Indian Queen".

Keine Stunde Musik gibt es von Henry Purcells Semi-Opera "The Indian Queen", also wird das Fragment selten aufgeführt. Schon gar nicht szenisch. Doch der verstorbene Ex-Salzburger Festspielchef Gerard Mortier wollte es unbedingt auf die Bühne wuppen und brachte 2013 das Team Peter Sellars und Teodor Currentzis zusammen, um eine neue Geschichte zu erzählen und weitere Musik von Purcell einzufügen.

Mortier war zu der Zeit Intendant in Madrid und die Aufführung wurde ein riesiger Erfolg. Nun holte Markus Hinterhäuser das Stück für zwei Abende in die Felsenreitschule, angekündigt als konzertante Oper. Was völlig falsch ist, denn es fehlen zwar die in Madrid so überzeugenden Tänzer. Und natürlich gibt es auch kein Bühnenbild, wohl aber eine feine Lichtregie sowie die bis in kleinste Verästelungen emphatische Personenführung.

Sellars, der zum Auftakt der Festspiele schon einen feinfühligen "Sonnengesang" (mit Werken von Heinrich Schütz und Sofia Gubaidulina) in die Kollegienkirche brachte, gelingt auch hier ein Wunder! Er verbindet die Musiknummern mit Texten von Rosario Aguilar (in Salzburg toll rezitiert, vielmehr durchlebt, von Amira Casar).


Während die ursprüngliche Version der "Indian Queen" eine krude Kriegsfantasie darstellt (der Kampf zwischen Azteken und Inkas), erzählt Aguilar vom Widerstand indigener Frauen gegen die spanische Conquista. Feministisch, manchmal sehr direkt politisch, aber auch sinnlich-poetisch geht es da zu, man folgt der Sache dreieinhalb Stunden lang gebannt. Wie in Madrid dirigiert auch an der Salzach Teodor Currentzis, diesmal sein Utopia Orchester nebst Chor. Und hier geschieht ebenfalls ein Wunder. Alles Eitle, Prätentiöse, manchmal nervend Überdrehte ist verschwunden. Currentzis wird zum Teil eines großartigen künstlerischen Teams, lässt auch mal einen Sänger dirigieren, fügt sich in diese gleichsam lebendige Bühnenskulptur harmonisch ein.

Chor und Orchester singen und spielen auf der Sesselkante, alles glüht und blitzt und leuchtet, es gibt extrem leise Passagen an der Grenze der Hörbaren, aber auch wütend brüllende (An-) Klagen. Mit Jeanine De Bique (die überaus emphatisch liebt und leidet), Julian Prégardien, Rachel Redmond und dem weiteren Sängerensemble entsteht ein Gesamtkunstwerk, gefeiert mit stehenden Ovationen.


Tja, und jetzt haben wir natürlich ein Problem. Das Schweigen des Dirigenten Currentzis, das Utopia Orchester, in dem auch Musiker aus Currentzis' altem (vorwiegend russischem) MusicAeterna-Ensemble spielen, das ja hierzulande unerwünscht ist. Nach diesem Abend mit seiner künstlerischen Kraft und seinen klaren, auch politischen Botschaften (Widerstand, Menschlichkeit, Empathie) muss man konstatieren: auf so etwas will man schlicht nicht verzichten - und zwar gerade in diesen Zeiten!

Im Grunde ist die ganze Sache sehr wohl lösbar. Es gibt gute journalistische Kollegen, die penibel recherchieren, was Mitglieder von Utopia etwa auf ihren Social-Media-Accounts posten. Wer da verhaltensauffällig wird, wer sich in irgendeiner Art und Weise pro Krieg, gegen westliche Werte äußert, muss rausfliegen. Wie es auch schon geschah. Und es gilt, einen kritischen Blick auf die Geldflüsse für und an Utopia zu werfen.

Wir haben jedoch in Deutschland, im Gegensatz zu anderen Staaten, keine Gesinnungspolizei und wenn diese Diskussion um Utopia und Currentzis weiter so geführt wird, möchte man bitte auch die politische Haltung sämtlicher Musiker etwa der Sächsischen Staatskapelle Dresden (nur als pars pro toto) mal überprüfen. Man hörte zur Corona-Zeit von einer beträchtlichen Impfgegnerquote und eigenwilligen politischen Ansichten, um es mal ganz vorsichtig zu formulieren.

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