Sado-Maso-Popo-Poesie

Akrobatisch fein, doch scharf gewürzt: Die Show „Cantina” beim Tollwood-Festival
Michael Stadler |
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Es liegt schon etwas Artistisches an sich im Tragen von Schuhen mit hohen Absätzen, in dieser Schummelei mit der Größe, diesem erstaksten Glamour – ein Balance-Akt, den Frau beherrschen muss, um auf dem gesellschaftlichen Parkett nicht peinlich auszurutschen. Eine Show muss natürlich die Schraube gen Höhenflug weiterdrehen, weshalb die Dame im Spiegelzelt Chapiteau auf dem Tollwood-Gelände sich einem begehrenswert durchtrainierten Gentleman nicht nur auf Plateauschuhen, sondern auch noch auf dem Hochseil annähern muss. Da zittert die Wade, da wackelt das Seil, da stoppt der Atem.
Die Showmöglichkeiten des Fetisch Schuh loten die Artisten von „Cantina” auch später aus, wenn mit High Heels ein Mannskörper wie ein Berg be-stiegen wird. Das müsste eigentlich weh tun, denkt man, genauso wie die Handstände und Körperverrenkungen auf Splitterglas, aber die Show-Girls streichen sich lächelnd die unversehrten Sohlen sauber und wandeln weiter auf Fakirs Spuren. Die australische Zirkustruppe piesackt mit dem Eindruck pieksender, brennender Erfahrungen, und es darf auch nicht ein Danse Apache fehlen, diese alte filigrane Varieté-Nummer, die an heutige Wrestling-Schlachten erinnert und bei der sich Mann und Frau gar herrlich eine Tracht Show-Prügel verabreichen, während das Publikum zuschauend am Sado-Maso-Genuss teilhaben darf.

Mozes, Nara Demasson, David Carberry, Daniel Catlow, Chelsea McGuffin und Henna Kaikula beherrschen ihre Körper und spielen mit der Dominanz über den Körper des anderen, suchen den Nervenkitzel an der Grenze zum Schmerz, zum Sturz, zum Schweben. Ihre Gliedmaßen verrenkt Henna Kaikula in alle Richtungen, dass auch Marionetten neidisch werden könnten, und mit schwarzer Maske über dem Kopf wird eine Trapeznummer blendend blind. Wer vor der Show sich das gaumenstreichelnde 4-Gänge-Menü von Bio-Koch Christian Kolb munden ließ, dem wird mit „Cantina” eine scharf gewürzte Henkersmahlzeit serviert, in der sich die Zwanziger-Jahre-Poesie aus dem Dunkeln schält und manches Mal die Farben frivol explodieren. Ein rotes Tuch zaubert Mozes hervor, auch nachdem alle Kleider gefallen sind. So sieht sie aus, die splitterfasernackte Freude.

Bis Do, 22.12. (spielfrei 27., 28.11., 5., 11., 18.12.), Zelt Chapiteau, Beginn: mit Menü ab 19 Uhr, ohne Menü 20.30 Uhr, Tickets 0700-38 38 50 24

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