Romantik im Extremen

„Glück” von Doris Dörrie: Krimi, Sozialdrama, Liebesgeschichte
Adrian Prechtel |
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Rainer Werner Fassbinder ist einmal ein Paradox aufgefallen: Je weiter jemand von der Bürgerlichkeit entfernt ist, desto stärker hält er sich an Konventionen und Rituale.

In „Glück” trifft ein Streuner auf eine Gestrandete. Und nach nichts sehnen sie sich mehr als nach treuer Zweisamkeit und Geburtstagskuchen. Ihre Wege kreuzen sich am Bordstein – er sitzt da mit seinem jungen Punk-Gesicht, das viel zu nett ist, um es vom Straßenleben schon hart werden zu lassen. Und sie ist eine junge Frau, die im Jugoslawienkrieg brutalstmöglich traumatisiert wurde, floh und jetzt als „Illegale” in Deutschland anschaffen geht, um sich über Wasser zu halten. „Du bist ein Bettler”, wirft sie ihm seine Würdelosigkeit vor, er ist irritiert, denn er sieht sich als coolen Desperado.
In einem klassisch-dramatischen Spannungsbogen wird dieses Paar heftig durchgeschüttelt, makabere Szenen eingeschlossen. Denn die Grundgeschichte stammt aus dem Erzählungsband „Verbrechen” des skurril ironischen Strafverteidigers und Bestseller-Autoren Ferdinand von Schirach.

Der Kick von Außenseiterfilmen besteht darin, dass uns die Anderen befragen: Wie halten wir es mit dem Fremden? Sind im Normalen unsere eigenen Lebensgefühle nicht schon erschlafft?
Diese Beunruhigung wird gedämpft, indem sich die Außenseiter integrieren: Irina ist als orthodoxe Christin konservativer und gläubiger als es unsere liberal-säkularisierte Gesellschaft ist. Und Kalles Klauen ist nur Durchgangsstadium eines Jungen, der nicht erwachsen werden will, zum Verantwortung-Übernehmen.

Doris Dörrie bringt ihre Digital-Aufnahmen so zum Leuchten, dass selbst ärmlichere Seitenstraßen einen Zauber haben. Manche haben Dörrie Sozial-Kitsch vorgeworfen, aber es ist magischer Realismus. Und für diesen hat sie mit Vinzenz Kiefer ein einnehmendes frisches Gesicht und mit der Italienerin Alba Rohrwacher eine rätselhafte Melancholie, aber eben mit der Chance auf „Glück”.

Kino: Atelier, CinemaxX, Mathäser, Mchn. Freiheit, Rio, Isabella R: Doris Dörrie (D, 112 Min.)

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