Rolle rückwärts
Nach ihrem Überraschungserfolg mit „Lost in Translation“ widmet sich Sofia Coppola in „Somewhere“ wieder einsamen Hotel-Seelen
7Nein, wir sind nicht irgendwo. „Somewhere“ spielt in L.A., genauer Hollywood. Und genau hier muss er spielen, denn kein Ort – ausgenommen vielleicht Las Vegas – ist unwirklicher, geschichtsvergessener. Am Sunsetboulevard wohnt Johnny Marco – eine Art Star-Mustermann, River Phoenix oder Heath Ledger – bindungs- und mittelpunktlos im Promi-Hotel Chateau Marmont. Angestellte räumen hier schnell die Zivilisationsmüllreste der Small-Talk-Parties weg, von denen Johnny oft nicht mal weiß, wer von seinen Kumpels die laut aufgedrehten Feiern mit den bettgeilen Starlets in seiner Suite angeleiert hat: ein bitteres Dolce Vita aus Sex, Drugs und lauter Musik. Wobei Alkohol und Drogen den Sex bereits eher verhindern als anturnen, so wenn Marco (Stephen Dorff) vom aufgedrehten Nichtstun ausgebrannt beim Synchronräkeln zweier cheerleader-artigen Prostituierte einfach wegpennt.
Vor sieben Jahren gelang es Sofia Coppola mit ihrem Oscar-gefeierten „Lost in Translation“ in der nächtlichen Fremde Tokios poetisch, zwei Menschen beim Nachspüren ihrer Einsamkeit mit Gefühl zu beobachten. Diesmal erlaubt sie sich im medien-ausgeleuchteten Hollywood zu viele Klischees und dehnt Szenen, so dass den Zuschauer manchmal selbst Langeweile beschleicht. Filmkunst, die Leere darstellen will, darf sie nicht selbst erzeugen.
Die Eisprinzessin entlarvt den Hedonisten
„Ich bin nichts. Nicht mal ein Mensch“, empfindet Johnny Marco in einem lichten Moment. „Mach' was Ehrenamtliches“, ist die lakonisch, nichts lösende Antwort von so genannten Freunden in diesem oberflächlichen Hotel California.
Dann aber tritt eine 11-jährige Eisprinzessin in Johnnys Starleben. Cleo (Elle Fanning) ist seine Tochter. Ihre Mutter auf Egotripp gibt sie bei ihm, dem narzisstischen Verzweiflungs-Hedonisten, einfach ab. Und die unverdorbene Kleine, die allein durch ihr Normalsein sein perverses Leben entlarvt, könnte der Katalysator für seinen Neustart werden, ohne Prostituierte oder Aufgeil-Ferrari, aus dem er am Ende einfach aussteigt und in die Westernlandschaft entschwindet. Zuvor hat Coppola noch einige witzige Seitenhieb-Kleinsatiren eingebaut: Ein Tripp nach Italien – oft ja kultureller Sehnsuchtsort – führt in ein noch verkommeneres TV-Show-verdummtes Land. Und die Presse ist – man erlebt Star-Interviews und Pressekonferenzen – hirnlos, banal. Das ist „Somewhere“ selbst natürlich nicht.
Adrian Prechtel
Kino: Atlantis (OmU), Cinema (OV), City, Leopold B&R: Sofia Coppola (USA, 98 Min.)
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