Relativ angenehm
Die Chart-Königin und in Physik-Niete Mariah Carey entdeckt auf ihrem neuen Album „E=MC2“ mit Albert Einstein die Weltformel für erfolgreichen Kuschelsoul. Bei den meisten anderen Sängerinnen wäre das Ergebnis an Langeweile kaum zu überbieten. Doch bei Diva Mariah ist das anders.
Sie war der lebende Schmachtfetzen, die atmende Kuscheldecke, die große Balladensängerin. In den 90er Jahren hatte Mariah Carey damit enormen Erfolg. Auch wenn viele alte Fans ihr in der Wandlung zur R'n'B-Maus in Winzkleidern nicht folgen wollten, hat sie sich immerhin an etwas Neues gewagt. Zumindest in den USA wird sie damit auch kommerziell belohnt: Die aktuelle Single-Auskopplung „Touch My Body" landete auf dem ersten Platz der Charts. Damit hat Carey jetzt schon 18 Nummer-Eins-Singles in Amerika – eine mehr als Elvis. Nur die Beatles können zwei mehr aufweisen.
Jede Menge Vorschusslorbeeren also für das dazugehörige Album „E=MC²". Außerdem ein interessanter Titel für eine Sängerin, deren spannendste Sätze in Interviews von Pyjamapartys mit ihren Freundinnen handeln und die selbst zugibt, in Physik eine Niete gewesen zu sein. „Ziemliche Angeberei" sei der Albumtitel, sagte Carey dem „Star & Style Magazin". Damit hat sie ohne Zweifel Recht. Der Titel wird aber angenehm relativiert durch das Cover, auf dem Carey sich nur mit einer Art Flokati-Läufer bedeckt.
Entsprechend halten sich die Lieder in den Themenkreisen „Party all night" und Zwischenmenschliches. Frische Beats untermalen ihre noch immer betörende Stimme, lenken aber nicht übermäßig von ihr ab. Die Texte stehen im Hintergrund, leider, denn Careys Songwriter haben ihr erstmals ein wenig Selbstironie auf den Leib geschrieben. In „Touch My Body" heißt es: „I'll hug your body tighter/ Than my favorite jeans/ If there's a camera up in here/ Then I'd best not catch this flick/ On YouTube."
Natürlich wäre keines dieser Lieder in irgendeiner Hinsicht Aufsehen erregend, wenn es nicht von Mariah Carey gesungen würde. Bei den meisten anderen Sängerinnen wäre das Ergebnis an Langeweile kaum zu überbieten. Aber die mit 160 Millionen verkauften Tonträgern erfolgreichste Künstlerin aller Zeiten schafft es, den Unterschied zu machen.
Vor allem bei ruhigen Stücken wie „Bye Bye" oder „Thanx 4 Nothin'" rettet ihr Organ, das so spielend zwischen Brust- und Kopfstimme pendelt, das fade Songwriting. Der Rausschmeißer „I Wish You Well", bei dem sie nur mit Klavier und ein paar hauchenden und zirpenden Mädels im Hintergrund singt, bringt sogar fast alte Zeiten zurück – das Stimmwunder Mariah. Wenn einem hier etwas überhaupt nicht fehlt, dann sind es die R'n'B-Rhythmen.
Julia Bähr
„E=MC²" (Universal)
- Themen:
- Mariah Carey
- The Beatles
- YouTube