Reibungswärme
Herbert Grönemeyer gibt eine vergnügliche Münchner Pressekonferenz zum kommenden Album und der anstehenden Tour und plaudert über das, was seinen Schaffensmotor antreibt
Wenn ich ,Männer’ singe, komme ich mir selber völlig bescheuert vor.“ Wird er aber auf seiner kommenden Tour trotzdem machen – ironisch aufgebohrt, versteht sich. Es ist kurz nach 11 Uhr, als Herbert Grönemeyer zur Pressekonferenz in den Saal des Charles Hotels schlendert. Klarstellt, dass er gerade aus dem Bett gefallen ist, die Fotografen darauf hinweist, dass er im Sitzen nicht so gut aussieht und mit „Pulp Fiction“-Scherentanzpose amüsiert.
Gerade ist er dabei, sein neues Album fertigzustellen, – mit dem Plattentitel kämpft er noch – im Februar soll die erste Single ausgekoppelt werden. Im März kommt das Gesamtwerk. Auf Tour besucht er am 21. Juni das Olympiastadion. Klar, eine Pressekonferenz vor Weihnachten präsentiert noch keine Ergebnisse, sondern soll das Weihnachtsgeschäft der Konzertkarten ankurbeln. Allerdings, man war schon auf uncharmanteren Veranstaltungen dieser Art. Grönemeyer ist Parlierer, Komiker und der anfassbare Herbert, der gerne auch mit ausgewählten Fans vor seinem Tourplakat Fotos machen lässt.
Kreative Wallung
Eine Pressekonferenz ist für ihn momentan sogar eine willkommene Abwechslung, „um den Kopf freizukriegen“. Bis Weihnachten wird der Gesang aufgenommen, dann hängt das Ganze über Neujahr ab. Am 24. Januar wird in New York abgemischt. Und gerne ändert er noch Texte, wenn das Cover schon fertig ist. Denn derzeit ist Grönemeyer dabei, die Worte für sein Album zu finden. Die Musik gibt es schon.
Warum er diese Reihenfolge wählt? Wenn er früher in Bands gespielt habe, hätte immer wieder mal noch ein Text hermüssen. Und so habe er dann irgendwas draufgetextet: „Ich bin kein Dichter. Ich würde mich nie alleine hinsetzen und einen Text schreiben.“ Wenn die Vorlage da sei, dann dürfe er die durch den Text nicht kaputtmachen. So erzeugt man sich selber Druck. Und dieses Gefühl, auf die letzte Sekunde fertig zu werden, das braucht Grönemeyer, um in kreative Wallung zu kommen.
Die Tochter ist eine harte Kritikerin
Der Schaffensfuror kennt Rituale. Texten kann er nur an zwei speziellen Schreibtischen. Schreibblöcke, neue Stifte und die begleitende Lektüre von Zeitung und Lyrik – und dann schreibt Grönemeyer seitenweise Papier voll. Als nüchterne und harte Kritiker haben sich die Tochter und eine befreundete Journalisten bewährt. Mit dem Drang zur Ehrlichkeit gibt er auch zu, dass es schwächere Lieder gebe, bei denen er sich auch textlich nicht so ins Zeug legt: „Ich habe mal ein Lied im Radio gehört, da wusste ich gar nicht, dass das von mir ist.“
Als endlich mal einer nach der Musik fragt, freut sich Grönemeyer. Immer müsse er über seine Texte sprechen, in England sei das umgekehrt. Also: „Gitarrenlastiger, wuchtiger, dramatischer, filmischer“ soll die neue Platte werden. Und „britpopartiger“. Über Texte redet es sich eben doch leichter. So komponiert er am Klavier und singt dazu meist englische „Bananentexte“ als Platzhalter. Gefälligkeit? Nein, an seiner neuen Platte soll man sich reiben können.
Sein erster Münchner Auftritt war in der Alabamahalle. Als Grönemeyer den Konzertveranstalter nach der Anzahl der verkauften Karten fragte, habe der gesagt: „Zehn, aber ich stell dir Biertische rein, dann sieht es voller aus.“ Die ständige Überbietung der eigenen Leistung ist bis heute nicht sein Motor. Wäre es anders, würde er auch darüber wahrscheinlich zwanglos plauschen.
Christian Jooß
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