Raunzen im Rachenraum

Das Virtuosentum lebt: Der Schauspieler Klaus Maria Brandauer las William Shakespeares „Sommernachtstraum“ im Hubert-Burda-Saal des Jüdischen Gemeindezentrums am Jakobsplatz
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Das Virtuosentum lebt: Der Schauspieler Klaus Maria Brandauer las William Shakespeares „Sommernachtstraum“ im Hubert-Burda-Saal des Jüdischen Gemeindezentrums am Jakobsplatz

"Lasst mich auch den Löwen spielen“, ruft der Handwerker Zettel, nachdem er bereits das Liebespaar Pyramus und Thisbe für sich beansprucht hat. Klaus Maria Brandauer gierte nach mehr: Zum Wohl der Universität Tel Aviv, wo ein Kunstlehrstuhl nach seiner verstorbenen Gattin Karin benannt ist, vereinigte er alle Figuren aus dem „Sommernachtstraum“ auf sich.

Nur Klavier spielt der Groß-Mime nicht. Felix Mendelsohn Bartholdys Schauspielmusik überließ er den trefflichen vier Händen des Klavierduos Schumacher und Grau. Während ihrer Ouvertüre sackte er auf dem Hocker zusammen, als würde er gleich ohnmächtig zu Boden rumpeln. Aber Brandauer sammelte sich nur für ein knapp geraunztes Resümee der ersten Szenen, für die er den zum tief ausgeschnittenen Unterhemd getragenen schwarzen Knitteranzug vorher noch ein wenig ordnete.

Der Kobold

Wenn er in seiner Erscheinung samt Lesebrille auch eher Puck, dem Kobold, glich, verwandelte er sich doch am allerliebsten in den hinterhältig gemeinen Oberon, der seine Feenkönigin aus Rache mit einem Esel verkuppelt, ohne das übrige Personal irgendwie zu vernachlässigen. Als Zettel schaute er dem Klavierduo in die Noten, wälzte sich schnarchend auf dem Boden und schnaubte während der Musik zwecks der Charakterisierung des Proleten eine Portion Nasenflüssigkeit geräuschvoll in den Rachen.

Vom Glück sprach der Meistermime in der Nähe des Hochzeitsmarschs so spitz, als ob er trotz eines Eherings der Gattenliebe wenig trauen würde. Nach 90 Minuten Menschendarstellungsbravour gelangte er zur Finalarie, dem Rüpelspiel auf Wienerisch. Dessen Albernheit gipfelte in einer großen Selbstmordpantomime und der unablässigen Wiederholung des Wortes „tot“, das er zwischen Tragik und Komik immer wieder neu nuancierte.

Brandauer ist noch immer, was im Theater anerkennend eine Rampensau genannt wird. In seinem Singsang lebt das Burgtheater-Pathos weiter. Natürlich ist ein solcher Monomane schwer in ein Ensemble einzubinden. Aber schade ist es doch, dass es kaum Regisseure gibt, die ihn noch den Löwen spielen lassen.

Robert Braunmüller

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