Rast an der Schnelllese-Theke
Das ZDF ist mit seiner neuen Literatursendung „Die Vorleser“ am Freitagabend beim Publikum durchgefallen. Nur 880.000 Zuschauer (Marktanteil 4,1 Prozent) schalteten die Premiere der halbstündigen Sendung ein - darunter AZ-TV-Kritikerin Ponkie.
Noch ein paar Häppchen Bücher gefällig? Die Metamorphosen des TV-Bildungsbürgertums von den Dolchstoß-Clubsesseln des Literarischen Quartetts über die Individualisten-Klause bei Elke Heidenreich zum stocksoliden Plaudersofa in der Hamburger Speicherstadt, das nun „Die Vorleser“ (ZDF) beherbergt und zu Vorkostern auf eigene Gefahr macht (notfalls müssten sie als erste vergiftet tot umfallen von penetranter Lobby-Bestsellerei): Da die beiden Neuen, Moderatorin Amelie Fried und Literaturktitiker Ijoma Mangold vom „Zeit“-Feuilleton, wissen, wovon sie reden, stritten sie bei der „Vorleser“-Premiere in wohltemperierter emotionaler Gesittung, lobten und tadelten die Familie als Lese-Objekt und Leser-Subjekt.
Fried erwärmte sich als Fachfrau für die Cool-Psychologie der Mütter in Anna Katharinas „Kürzere Tage“, Mangold für die „Diskretion der Einsamkeit“ bei Per Olov Enquist („Ein anderes Leben“). Und Gast Walter Sittler versuchte eine Wiederbelebung des weit unterschätzten Gesellschaftsautors Erich Kästner. Pfadfinder-Ausflüge mit Krawatte, Rast an der Schnelllese-Theke.
Ponkie