Räume in Bewegung
Was macht die Kunst im Sommer? Ein Blick in Münchner Galerien mit geadeltem Müll, Stahlobjekten und Materialspielereien
Der bayerische Ferienmonat August wirkt sich auch auf den Kunstbetrieb aus. Die meisten Galerien sind in ihre Sommerpause gegangen. Alle entspannen sich und harren der Saisoneröffnung im Herbst. Alle? Nein, es gibt einige Unentwegte Privatgalerien, die auch im Ferienmonat die Türen offen haben. Soll niemand sagen, er bekomme Entzugserscheinungen in Sachen Kunst. Hier also eine subjektive Galerien-Auswahl:
JOSEPH GALLUS RITTENBERG
Die Hauptsache findet auf diesen Schwarzweißfotos am Rand statt, manchmal auch oben oder unten in der Ecke. Nur ganz selten einmal stellt der Fotograf die Porträtierten ins Zentrum. Dabei setzt der Mann aus dem österreichischen Linz vor allem im Theater und in der Literatur Tätige, meist also mehr oder weniger Prominente, ins Bild. Die zentrifugale Sicht ist dem in Salzburg, Wien und München in fast allen Bildkünsten Ausgebildeten Programm. Vom Rand sich den Personen nähernd, vermeidet der Fotograf stets die Fallstricke des Trivialen, auch verfällt er niemals irgendeinem Starkult. In seinen Fotografien stellt er die Personen auf eine unverwechselbare Bühne. Seine Arrangements machen den Menschen sichtbar und greifen oft über auf eine beginnende Deutung des Werks, etwa in den Bildern Heiner Müllers, Albert Ostermaiers oder Christoph Schlingensiefs (Galerie Kampl, Buttermelcherstr. 15, Di – Sa 12 bis 19 Uhr).
TORSTEN MÜHLBACH
Mülltüten in verschiedenen Farben und ein Tacker sind die beiden an sich bedeutungslosen Grundmaterialien von Torsten Mühlbachs Bildern. Der 1974 im sächsischen Torgau geborene Künstler hat an der Akademie der Bildenden Künste in München bei dem Bildhauer Nikolaus Gerhart studiert. In seinen Materialbildern adelt er auf formaler Ebene Wegwerfgegenstände wie Plastiktüten und Heftklammern, inhaltlich stehen die Welt des Comics wie die des Films und dessen Amalgamierung mit Versatzstücken der Alltagswirklichkeit im Mittelpunkt des Interesses.
Durch seine provokanten Werktitel macht der Künstler die Arbeiten zu Bilderzählungen, die mit anderen Formen medial vermittelter Wirklichkeitsinterpretation in den Widerstreit treten. In seiner Ausstellung „Justice for All ...“ zeigt Torsten Mühlbach auch neue Plastiken wie seinen „Kopffüßler“ und eine vielfigurige Installation, in der die griechische Mythenwelt ihre Aktualisierung erfährt (Galerie Filser & Gräf, Tattenbachstr. 18, Di – Fr 11 bis 18 Uhr, Sa 11– 14 Uhr).
BERNHARD LICINI
Bernhard Licinis Objekten wohnt etwas Industrielles inne. Den Werkstoff Stahl versucht er gerade nicht einem Naturprodukt anzuverwandeln, indem er ihn unbehandelt lässt, sondern er wird sorgfältig mittels einer Farbe konserviert, die durchaus dem Spektrum industrieller Zweckfarben entstammen könnte. Auch die Oberflächen der Plastiken verraten, dass sie einen sorgfältigen Bearbeitungsprozess hinter sich gebracht haben: Der Schöpfer hat von der Pike auf gelernt, mit Stahl umzugehen.
Bernhard Licini, 1956 in Zürich geboren, entschied sich nach einer Schlosserlehre, den nicht einfachen Weg des freien Künstlers zu gehen. Das wesentliche gestalterische Prinzip seiner Werke ist dabei die Reduktion, die man nicht sieht. Das Werk, wie es so dasteht, vermittelt den Eindruck des Festen und Bündigen. Es scheint gar nicht anders sein zu können. Der Kampf, der aber vom Künstler geführt werden musste, um zu diesem Ergebnis zu gelangen, er ist in der Plastik als innere Kraft gespeichert (Galerie Kaysser, Herzogstr. 73, Mi – Fr 15 -20 Uhr, Sa 11-14 Uhr).
DANIELA GEORGIEVA
Aus Stoffstücken, verschieden strukturierten Papieren, Bandmaterial und manchmal auch Holzstücken komponiert die 1979 im bulgarischen Plovdi geborene Daniela Georgieva ihre Plastiken und Installationen. Es braucht seine Zeit, bis der Betrachter diese Kunstwelten zu verstehen beginnt. Gattungsgrenzen überschreitet die Künstlerin dabei mit sichtlichem Vergnügen, ein Hang zur theatralischen Inszenierung, zur Draperie von Wirklichkeitsfragmenten wird deutlich. In jüngster Zeit problematisiert Daniela Georgieva, die ihre Ausbildung an der Kunstakademie Düsseldorf in der Klasse von A.R. Penck erhielt, mit besonderem Nachdruck die Ergründung von Raumverhältnissen. Mit welchen Mitteln lassen sich Räume, auch gezeichnete und fotografierte, also ins Zweidimensionale verwandelte Räume umwidmen und in erneute Bewegung setzen? (Galerie Christa Burger, Theresienstr. 19, Eingang Fürstenstr., Di-Fr 14-18.30 Uhr, Sa 12-15 Uhr).
Rüdiger Heise
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