Quark oder Revolution
„Die Kraftprobe“: 200 Jahre Akademie – eine Ausstellung im Haus der Kunst. Hier wird deutlich, dass diese Kunst Fortsetzung der Politik war und häufig dazu diente, das überall in Europa sprießende Nationalbewusstein zu befördern.
So ein Jubiläum ist anstrengend: Zählt man alle Ausstellungen, Vortragsreihen und Diskussionen im 200. Jahr nach Gründung der Münchner Akademie der Bildenden Künste zusammen, bleibt das Fazit, dass Feiern vor allem Arbeit bedeutet. Jetzt ist die Schau „Die Kraftprobe“ im Haus der Kunst zu sehen – benannt nach Franz Defreggers Genrebild von 1898 – die sich mit der historischen Bedeutung der Institution auseinandersetzt.
Die Ausstellung, die den Bogen von Peter Cornelius’ Ludwigskirchen-Kartons, Johann Georg Dillis’ kleinformatiger Berglandschaft und Carl Schorns monumentaler „Sündflut“ (hundert Gesichter, ein Ausdruck) zu Fruhtrunk, Metzel und der erst jüngst berufenen Professorin Karin Kneffel spannt, ist Ergebnis der Forschungsarbeit eines Teams um Walter Grasskamp. Während die Akademie in den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts unter Piloty und nochmal kurz vor der Jahrhundertwende unter Stuck Glanzzeiten erlebte, war das 20. Jahrhundert eher disparat: Von der autoritären Nazi-Lehranstalt, die missliebige Professoren und Studenten ausschloss und stattdessen Hitlers Schamhaar-Maler Adolf Ziegler ehrte, zum vorsichtigen Aufbruch nach dem 2. Weltkrieg, gipfelnd in den Jahren der Studentenrevolte um 1968, als die Akademie Hochburg der Proteste war. Die 68er werden in aktuellen Studenten-Videoarbeiten aufgearbeitet, die die damalige Stimmung anhand von Filmmaterial und Interviews rekonstruieren („Revolution ist herrlich, alles andere ist Quark!“) und sie Momentaufnahmen von heute gegenüberstellen. Das ist insofern putzig, als darin eine glorreich verklärte Vergangenheit auftaucht, in der Unangepasstheit oberste Maxime war – und die von der seit dem Rektorat von Ben Willikens festaktseligen Akademie der Gegenwart weit entfernt ist.
Doch der eigentliche Erkenntisgewinn der „Kraftprobe“ liegt darin, dass man in eindrucksvoller Fülle die Werke von Malern aus Mittel- und Osteuropa sowie den USA besichtigen kann, die in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts nach München kamen, um die Historienmalerei zu studieren. In Gemälden wie „Der Fall von Stalac“ oder „Das Massaker von Batak“ wird deutlich, dass diese Kunst Fortsetzung der Politik war und häufig dazu diente, das überall in Europa sprießende Nationalbewusstein zu befördern. Darum begegnet man erschreckend vielen Kriegs- und Kampfszenen. Dass die Nachbeben des Nationalwahns bis heute spürbar sind, kann man nicht zuletzt anhand des jüngsten Aufruhrs um das „Massaker von Batak“ studieren.
Roberta De Righi
Bis 31.8., täglich 10 bis 20, Do bis 22 Uhr; Festschrift 49 Euro
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