Professor mit Euro-Kondom
Der Münchner Lichtdesigner Ingo Maurer ist ein Solitär in der Szene der Gestalter. Für den viel diskutierten Umbau des U-Bahnhofs Münchner Freiheit bekommt er den AZ-Stern des Jahres
Sein „Showroom“ an der Schwabinger Kaiserstraße47 ist fast so groß wie eine ganze Pinakotheken-Abteilung. Ingo Maurer gehört zu den weltweit bekanntesten und erfolgreichsten Lichtdesignern – und er ist aktueller Träger des AZ-Stern des Jahres.
AZ: Herr Professor Maurer…
INGO MAURER: Ich bin gar kein Professor! Doch halt, bei der Royal Academy, da schon…
Wie sagt man nun richtig?
Ich bin ein einfacher Mensch und finde den Titel prätentiös. Ich brauche das nicht.
Herr Maurer, ist die Lichtkunst tot, wenn die Glühbirne per EU-Verordnung stirbt?
Natürlich wäre die Lichtkunst nicht tot, wenn die Glühbirne sterben würde. Aber man hätte dann ein Weltkulturerbe getötet. Es wäre ein Feuer erloschen – die Glühbirne ist ein Nachfahre des ursprünglichen Feuers, an dem wir Menschen uns wärmten.
Sie sprechen im Konjunktiv, dabei ist die Abschaffung der Glühbirne längst beschlossen.
Im Jahr 2014 gibt es noch eine Chance, da wird die Verordnung nochmal überprüft. Außerdem wird es Prozesse gegen sie geben.
Sie haben ein „Euro-Kondom“ entworfen, das man über unmattierte Glühbirnen stülpen kann. Ein Scherz, oder?
Das ist sarkastisch, aber es gibt Leute, die es tatsächlich verwenden, denn es macht ein weicheres Licht. Mir ist der Aufruf zum zivilen Ungehorsam sehr wichtig.
München ist ja ein Mekka für Designer, auch wenn das gar nicht so bekannt ist. Spüren Sie das in Ihrer Arbeit?
Ich lebe hier eher wie in einer Oase. Ich bin ein Arbeitstier und nicht sehr involviert in die Münchner Designer-Szene.
Sind die Lichtdesigner unter den Designern das, was die Landschaftsarchitekten unter den Architekten sind, also eine spezialisierte, aber notorisch unterschätzte Randgruppe?
Ich glaube, wir sind traditionell unterschätzt. Aber momentan auch überschätzt, denn es gibt kaum einen inflationäreren Design-Beruf als den Lichtdesigner.
Die Liste Ihrer Auszeichnungen ist lang – wie würden Sie selbst Ihre Rolle für das Nachkriegs-Design beschreiben, sind Sie eine Art Vater der Lichtdesigner?
Ich habe das lange nicht wahrgenommen. Aber überall, wo ich hinkomme auf der Welt, wird mir dieser Gedanke nahegebracht.
Spüren Sie die Krise?
Die hat uns natürlich auch getroffen. In der Kollektion vor allem. Aber bei den großen Projekten haben wir uns sogar stark vergrößert.
Nun werden Sie für die Gestaltung des U-Bahnhofs Münchner Freiheit geehrt. Ist das Projekt der Abschluss einer bestimmten Schaffensphase?
Ich möchte es lieber als Anfang zu einer größeren Entwicklung sehen. Ich wünsche mir, einmal einen ganzen Bahnhof komplett in die Hände zu bekommen.
Sie haben sich über die Vorgaben der Stadt bei der Münchner Freiheit beklagt.
Auch wenn die Zusammenarbeit gut war, ging es um viele Details, die mir vorgegeben wurden, etwa bei der Art der Leuchtkörper. Die Stadt hat Berge von Leuchtstoffröhren, die wir leider auch schon bei den Bahnhöfen Westfriedhof und Moosfeld verwenden mussten. Ich hätte auch gerne einen anderen Fußboden gehabt – in richtig knackigem Silberhell!
Michael Grill