Premiere im Marstall: Surreale Family-Soap

Im Marstall inszenierte Tina Lanik „Wir kommen gut klar mit uns“ von Dorota Maslowska. Die polnische Autorin zeichnet mit bitterem Witz eine Gesellschaft, in der sich alle als Opfer fühlen.
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Im Marstall inszenierte Tina Lanik „Wir kommen gut klar mit uns“ von Dorota Maslowska. Die polnische Autorin zeichnet mit bitterem Witz eine Gesellschaft, in der sich alle als Opfer fühlen.

Unfreiwillig liefert das Bayerische Staatsschauspiel einen Nachruf der schrilleren Art. Kurz nach der Flugzeugkatastrophe, bei der Lech Kaczynski starb, fand im Marstall die Deutschsprachige Erstaufführung des zweiten Theaterstücks von Dorota Maslowska statt. Die 26-Jährige gehört zu den Landeskindern des polnischen Präsidenten, die gegen das aufbegehren, was er hinterlässt.

„Wir kommen gut klar mit uns“ schildert mit bitterem Witz eine Gesellschaft, die sich in einer ewigen Nachkriegszeit gut eingerichtet und mit ihrer historischen Opferrolle arrangiert zu haben scheint. Schauplatz ist eine Einzimmerwohnung irgendwo in einer Warschauer Plattenbausiedlung. Oma (Jennifer Minetti) redet vom Krieg, wovon die Enkelin (Grit Paulussen) oft so genervt ist, dass sie an der Wohnungstür klopft und quäkt: „Poch, poch! Ich bins nur - der Zweite Weltkrieg“. Omas Tochter Halina (Ulrike Arnold) ist anfang 50, hatte sich eingerichtet in die Mangelwirtschaft und verblödet nun zunehmend am Kapitalismus, der mit seinen Modetrends und Glückshoroskopen in Frauenzeitschriften besonders lächerlich wirkt. Manchmal fallen Sätze, in denen alte Wunden, Katholizismus und Verzicht ineinander fallen: Man erinnert sich an eine Italien-Reise, die man nicht unternommen hat und „sowieso sinnlos war, denn der Papst ist inzwischen kein Mensch mehr, sondern ein Deutscher“.

Regisseurin Tina Lanik hat die surreale Family Soap mit den süffigen Dialogen und in starken Bildern gut im Griff, bis das Stück plötzlich eine völlig neue Wendung nimmt: All das, legt der Auftritt eines Schauspielers (Thomas Gräßle) nahe, könnte auch die Produktion eines Kinofilms über das Elend in Polen sein. Doch der dann anhebende medienkabarettistische Klamauk im TV-Studio überrascht nur deshalb, weil er langweilt. Über Klischees von Stars und Sternchen hat man im Westen schon herzlicher lachen dürfen. Mathias Hejny Marstall, 19., 24. April, 11., 16., 25. Mai, 20 Uhr, sonntags 19 Uhr, Telefon 21851940

Mathias Hejny

weitere Vorstellungen: 19., 24. April, 11., 16., 25. Mai, 20 Uhr, sonntags 19 Uhr, im Marstall, Telefon 21851940

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