Pracht am Busen der Frau Bäuerin
Fesche Kropfketten, üppige Miedergeschnüre und reich bestückte Uhrketten: Im Bayerischen Nationalmuseum sind ländliche Bijouteriewaren aus dem 19. Jahrhundert zu sehen
Die Armbänder auf den Wühltischen glitzern heute verblüffend echt. Und Perlohrstecker gibt’s im Kaufhaus schon für ein paar Euro. Wahrscheinlich hatten unsere Vorfahren den Faustkeil noch nicht erfunden, als das sehr menschliche Ansinnen aufkam, sich optisch aufzurüsten. Was mit feiner Dekoration immer noch am besten geht. Nur war die meist kostbar und der jeweiligen Upper class vorbehalten. Verständlich also, dass der Fake, die gute Fälschung, immer schon gefragt war. Und erstaunliche Kreativität angestachelt hat. Auch das ist eine Erkenntnis, die man derzeit im Bayerischen Nationalmuseum gewinnt.
Dort sind „ländliche Bijouteriewaren“ aus dem 19. Jahrhundert zu sehen, also Schmuck, den die Bauersleut’ und Bürger zum „Gwand“ trugen. Vom glasperlenbestickten Kranl (einer Haube) bis zur üppig bestückten Uhrkette der Männer, vom Haarpfeil bis zum Fingerring. Oder zum Rosenkranz, der für die fromme Andacht doch ziemlich diesseitig ausfallen konnte. Und gerade in der Kirche, vor allem an Feier- und Festtagen, war Geschmeide angesagt. Frei nach dem gar nicht bescheidenen Motto „wer ko, der ko“.
Verblüffende Fertigkeiten
So selbstverständlich war das Tragen von Schmuck aber trotzdem nicht. Ausgesprochen rigorose Kleiderordnungen verboten der einfachen Bevölkerung das Tagen von bunten Gewändern und Metallschmuck – noch lange nach dem Mittelalter. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts kam Farbe ins bäuerlich-bürgerliche Spiel. Und natürlich orientierte man sich am Geschmack des Adels. Nur sollte dieser Zierrat zunächst natürlich praktisch und vor allem auch finanzierbar sein. Silber oder Messing war das Material der Wahl, versetzt mit allerlei Glassteinen und Perlenimitaten. Die Fertigkeiten waren verblüffend. Später dann, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wurde hauchdünnes Goldblech, so genanntes Schaumgold, in Fabriken zu Schmuck gepresst. Das meiste kam aus Schwäbisch Gmünd, dem Zentrum für Filigran- und Bijouteriewaren, die eine Spur Luxus in den Alltag bringen sollten.
Obwohl vieles nach und nach auch für die einfacheren Leute erschwinglich wurde, durfte die gemeine Bürgersfrau nicht zu allem greifen, was ihr blinkend ins Auge stach. Regeln gab’s genug, man kann das im Eingangsbereich auf diversen Porträts nachvollziehen. Das Münchner Madl trug ein Mieder-, die Frau Mama ein Spenzergewand. Und so ein Busen schreit nach prächtiger Bestückung. Bald hing in jeder Silberschnurreihe eine Münze, ein Blumenkörbchen oder Amulett. Und die Geschnürstifte, also die Nadeln fürs Einfädeln, konnte man ja auch noch verzieren – und nach getaner Fitzelarbeit dekorativ ins Mieder stecken.
Der Drang nach mehr ist offenkundig und schön abzulesen an den einzelnen Stationen: von den Florschließen, die zunächst nur das Tuch züchtig zusammenhalten sollten, bis zur Riegelhaube, die schnell zur Grundausstattung der Münchner Kellnerinnen gehörte. Und die freche Frauenzimmer auch mal schräg trugen. So wie betont lässige Zeitgenossen heute ihr Baseballkäppi verkehrtrum aufsetzen. Ganz ändern sich die Zeiten eben doch nicht. Selbst das macht die Schau an der Prinzregentenstraße klar. Allerdings erst beim zweiten Blick auf diesen reizvollen „Schmuck zum Gwand“.
Christa Sigg
Bis 27. Februar, Dienstag bis Sonntag 10 bis 17, Donnerstag bis 20 Uhr; Katalog 21 Euro
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