Portugals Pippi Langstrumpf
Jazzrockig bis unverhohlen rockig und jede Menge Klassiker der brasilianischen Musik: Maria João brilliert als Gast bei „Jazz am Gärtnerplatz“.
Undercovers“ – so hieß vor fünf Jahren ein Album, auf dem Maria João ihre Versionen berühmter Pop- und Rocksongs vorstellte. Ein treffender Titel: Wenn die portugiesische Stimmakrobatin die Songs anderer Leute interpretiert, kommen nie bloße Cover-Versionen heraus. Vielmehr unterwandert João Songs und macht sie sich radikal zu eigen.
Nicht anders bei „Jazz im Gärtnerplatz“: Jazzrockig bis unverhohlen rockig ging es bei dem Konzert zur Sache, bei dem Klassiker der brasilianischen Musik wie Baden Powells und Vinícius de Moraes’ „Canto de Ossanha“ so schrill klangen wie die letzte Single einer Band, die irgendwo am Rande des Amazonas auf improvisationsfreudigen Indie-Rock macht.
Den Gegenpart zu Maria João, die durch die Songs hopste als wäre sie Pippi Langstrumpf und jedes Lied ein akustischer Spielplatz, bildete Andre Fernandes an der Gitarre. Wo Demian Caboud am Bass und Alexandre Frazao manchmal etwas grüblerisch vor sich hin improvisierten, bewahrte der Gitarrist den Überblick, die Form und den motivischen Faden. Neben Maria João sorgte er außerdem für den solistischen Höhepunkt des Abends. Wie er mit Hilfe eines Loops eine Gitarrenschicht um die andere zu einer riesengroßen Klangtorte auftürmte, um darüber ein wild aufschäumendes Jazzrocksolo zu improvisieren, hatte die Klasse eines Bill Frisell und eines John Scofield.
Claus Lochbihler