Pompöser Ökokitsch
Die dreiteilige "Amazonas"-Oper der Musiktheater-Biennale in der Reithalle
Dem Projekt präsidierten drei künstlerische Produzenten, ein Trio von Beratern sowie zwei auf die Initiative spezialisierte Herren. Den Kunstbrei verbesserten diese vielen Köche kaum. Aus ihrem Topf wehte nur ein Schwall ästhetisch heisser Luft, zu deren Gewinnung die anwesenden Museumshäuptlinge und Indianerfunktionäre gewiss ein paar Tonnen Kohlendioxid verflogen haben.
Die ästhetische Zerstörung des Regenwalds begann mit einem Remake von Werner Herzogs Film "Aguirre, der Zorn Gottes" als braver Videokunst. Der auch als Schauspieler hochtalentierte Komponist Moritz Eggert rollte als zweiter Klaus Kinski die Augen. Er skandierte Sir Walter Raleighs Bericht über die Entdeckung von Guayana. Auch als Yankee-Realpolitiker und Herrenmensch grimmte er recht wirkungsvoll aus den Beamern.
Die Schuld des weißen Mannes
Stellvertretend für den weissen Mann haute sich dazu der Münchner Musikbastler Klaus Schedl lärmend auf die schuldige Brust. Sein in Anspielung auf experimentelle Rockplatten "Tilt" titulierter Auftakt zum Opern-Dreiteiler war auch musikalisch ein Zweitaufguss: Mit Gitarrengedröhn und Elektrokrach wirkte das Ganze wie ein Kunst-Wiedergänger von Industrial Metal. So etwas mit einem Dirigenten aufzuführen, wirkt affig.
Zu Beginn des zweiten Teils von "Amazonas" wurde raunend der westliche Rationalismus gegeisselt und die Traumzeit beschworen. Man lernte, dass die Indianer wie der Gallier Majestix fürchten, der Himmel könnte ihnen auf den Kopf fallen. Dann gingen die Zuschauer zum Vogelgekreisch von Vokalakrobaten im Regenwald spazieren. Von fern lärmte Bierzeltmusik von Tato Taborda. Intellektueller Höhepunkt war die Chance, in dieser finsteren Geisterbahn dem Philosophen Peter Sloterdijk auf die Füsse zu steigen.
Unter Goethes Schirm
Auch in Brasilien lässt sich unter Johann Wolfgang von Goethe Schirm offenbar der Wald nicht ohne romantische Schauer aus dem "Freischütz" denken. Es folgte eine Stunde Erdkunde-Nachhilfe mit dem Holzhammer: Die von Peter Weibel gestylte "Amazonaskonferenz" prophezeite den Untergang der Menschheit. Gegen Mitternacht skandierte ein Sprechchor: "Der Marktkapitalismus ist der wahre Terrorismus."
So einfach stricken sich Indianerfunktionäre, Museumshäuptlinge und Provinzkomponisten die Welt zusammen, wenn sie schamlos Ressourcen verschwenden dürfen. Eine Brise eiskalter Marktluft würde auf alle an dieser scheintoten Subventionskunst Beteiligten belebend wirken.
Robert Braunmüller
Reithalle, bis Mittwoch, 20 Uhr
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