Podcast mit Obama und Springsteen: Lufthoheit des liberalen Amerika
Noch bevor die sonore Stimme von Barack Obama erklingt, noch bevor Bruce Springsteen zum ersten Mal charismatisch krächzt, sorgt ihr gemeinsamer Podcast schon für gute Unterhaltung. Allerdings unbeabsichtigt. Die Deutsche Telekom hat den Audio-Streamingdienst Spotify bei dem Projekt unterstützt und darf vorab als eine Art Werbe-Clip ihre Initiative "Gegen Hass im Netz" vorstellen.
Podcast "Renegades: Born In The USA" mit Ex-Präsident und Rocklegende
Und das wird unfreiwillig komisch: "Wäre es nicht wunderbar", sagt eine Frauenstimme, "wenn das Internet immer so wäre wie bei diesem Podcast?". Unbedingt, antwortet man im Geiste. Ab jetzt wollen wir nur noch mit Präsidenten und Rocklegenden zu tun haben! Die Stimme fährt fort: "Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen tauschen sich auf Augenhöhe aus: immer fair, interessiert und ohne andere auszugrenzen." Puh, offenbar hat im kommenden Podcast weder der Megastar den Weltenlenker ausgegrenzt noch umgekehrt.
Wäre das Internet nur immer so! Mit "Renegades: Born In The USA" hat Spotify einen Coup gelandet. Es investiert zurzeit große Summen in Podcasts, und mehr Starpower als hier geht kaum. Obama hat seinen Freund Springsteen auf dessen Anwesen in New Jersey besucht, acht einstündige Folgen lang unterhalten sie sich. Die ersten drei sind schon auf Spotify zu hören, die weiteren folgen im Wochentakt. Produziert haben Barack und Michelle Obama mit ihrem Medienunternehmen "Higher Ground".
Kein spontanes Gerede, eher orchestrierter amerikanischer Pathos
Wenn zwei Schwergewichte an die Öffentlichkeit treten, wird meist wenig dem Zufall überlassen. Dieser Podcast ist kein spontanes Geplauder, sondern eine orchestrierte Angelegenheit: An einer Stelle etwa zitiert Obama ausführlich und in weihevollem Ton eine seiner eigenen Reden, die Aufzeichnung der Originalrede wird zwischendrin ein- und wieder ausgeblendet.
An das gewaltige, uns Europäern fremde Pathos muss man sich ohnehin erst mal gewöhnen, und Springsteen klingt meist viel staatstragender als Obama. Die größte Hürde für den Hörer aber ist das Thema der Eröffnungsfolge: "Outsiders: An Unlikely Friendship". Obama und Springsteen inszenieren sich als Außenseiter qua Herkunft: Bei Obama, dem schwarzen Kind aus Hawaii, liegt das näher als bei Springsteen, und so fragt Obama, was denn einen netten weißen Jungen aus New Jersey zum Außenseiter gemacht habe. Springsteen verweist auf seine exzentrische irisch-italienische Familie und seinen schizophrenen Vater, der keine Arbeitsstelle lang halten konnte. Doch auch wenn jeder die formenden Erfahrungen aus Kindheit und Jugend ein Leben lang in sich trägt, sei doch die Frage erlaubt: Ist man ein Außenseiter geblieben, wenn einem seit fast einem halben Jahrhundert ekstatische Fans in Hallen und Stadien zujubeln? Oder wenn man acht Jahre lang der mächtigste Mann der Welt war?
Freundschaft zwischen Obama und Springsteen: "Du solltest mehr Zeit mit Bruce verbringen"
Die Freundschaft der beiden ist somit auch nicht so unwahrscheinlich, wie der Episodentitel behauptet. Sie haben sich kennengelernt, als Springsteen bei Obamas erstem Wahlkampf aufgetreten ist. Wo das gewesen sei, fragt Obama, in Michigan? Der vielgereiste Springsteen hat keine Ahnung. Der Rockstar sei sehr zurückhaltend gewesen, erinnert sich Obama, geradezu schüchtern. Das sei aber nicht untypisch in seinem Geschäft, meint Springsteen: "Wäre man nicht so schüchtern, würde man nicht so verzweifelt nach seiner Stimme suchen müssen." Das Eis zwischen den beiden sei bei weiteren Treffen allmählich gebrochen, auch ihre Frauen hätten sich bestens verstanden. Michelle sei begeistert gewesen, sagt Obama, wie reflektiert Springsteen über seine Versäumnisse als Ehemann nachdenke. Nach einem Dinner habe sie zu ihm gesagt: Du solltest mehr Zeit mit Bruce verbringen! Es sei in der Freundschaft also auch darum gegangen, ihn als Ehemann zu coachen, sagt Obama cool. "Es war mir ein Vergnügen", antwortet Springsteen.
Selten geraten die beiden so kurzweilig und privat ins Plaudern wie hier, und dennoch wird der Podcast - von wenigen zähen Momenten abgesehen - immer interessanter. Am Ende der ersten und in der zweiten Folge sprechen die beiden über Rassismus. Springsteen schildert das Paradox, dass weiße Jugendliche Schwarze bewunderten, ihren Stil kopierten, ihre Musik liebten - und der gesellschaftliche Rassismus dennoch ungebrochen blieb. Die größte Story seiner Karriere - größer als jeder Song! - sei gewesen, mit dem schwarzen Saxofonisten Clarence Clemons auf der Bühne zu stehen.
Springsteen und Obama sprechen über die Ursachen des fortwährenden Rassismus
"Ich hatte immer das Gefühl, dass unser Publikum uns beide sah und dachte: Das ist das Amerika, das wir wollen", sagt Springsteen. Allerdings blickte Clemons als Saxofonist von Springsteens Band stets nur in weiße Zuschauergesichter, und das erklärt der 2011 verstorbene Clemons in einem kurzen Einspieler: Bruce sei eben entsprechend vermarktet worden. Schade, dass genau das nicht weiter aufgegriffen wird. Stattdessen sprechen Springsteen und Obama über die Ursachen des fortwährenden Rassismus. Springsteen erklärt ihn mit der Angst der Weißen vor gesellschaftlichem Abstieg, Obama argumentiert psychologisch: Wer hässlich und unglücklich sei, könne sich zumindest dank seiner Hautfarbe anderen überlegen fühlen.
Die Gesprächshoheit hat Obama, er stellt die Fragen, aber einmal kehrt Springsteen den Spieß um. Ob der Staat den Schwarzen nach Jahrhunderten der Unterdrückung nicht Reparationen zahlen solle? In der Theorie unbedingt, antwortet Obama, in der Praxis sei das aber unmöglich und im Kampf gegen Rassismus kontraproduktiv. Da knüpft Springsteen eine Verbindung zur Politik seines Freundes in der Bankenkrise: Für Leute, die endlos lang zu kämpfen hatten, könne man in diesem Land also nichts machen, aber für Wall-Street-Banker schon?
Der Podcast "Renegades: Born In The USA" gibt es kostenlos bei Spotify zu hören.
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