Plötzlich dreht Ben durch
Deutsche Soldaten nach der Heimkehr aus Afghanistan: Ein Film zeigt, wie der Krieg im Kopf weitergeht
Alle sind froh und erleichtert, dass Ben (Ken Duken) unversehrt von dem Einsatz in Afghanistan zurück ist. Bei einem Grillfest soll der Heimkehrer gefeiert werden. Chips, Bier, dumme Sprüche von den Kumpels. Alles wie immer. Doch plötzlich dreht Ben durch.
Der Geruch von verbranntem Grillfleisch versetzt den jungen Bundeswehrsoldaten in Panik. Bilder von einem Selbstmordattentat, das er in Kundus erlebt hat, kommen in ihm hoch. Nachts verlässt Ben das Haus, rennt wie besessen durch die Weinberge im pfälzischen Deidesheim. Er redet wenig. Ist kühl und abweisend seiner Freundin gegenüber. Es dauert lange bis Ben erkennt, dass er schwer traumatisiert ist und Hilfe braucht, um die seelischen Wunden des Einsatzes zu heilen.
"Bei uns werden sie wie Trottel behandelt"
Exemplarisch beleuchtet der ARD-Film „Willkommen zuhause“ das Schicksal der rund 150 deutschen Soldaten, die jedes Jahr nach einem Auslandseinsatz mit einer so genannten posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) nach Deutschland zurückkommen. Bilder von Attentaten, verstümmelten Zivilisten und toten Kameraden haben sich in ihren Gehirnen eingebrannt und verfolgen sie in ihrem Alltag. Der Krieg geht im Kopf weiter.
Es ist das erste Mal, dass sich das deutsche Fernsehen in einem Spielfilm mit dem Problem der Heimkehrer beschäftigt. Dabei ist das Phänomen nicht neu: Seit Anfang der 90er Jahre beteiligt sich die Bundeswehr an internationalen Missionen, schickte Soldaten nach Kambodscha, Somalia, Kosovo, Bosnien, Kongo und Afghanistan. „Wir Deutsche haben aufgrund unserer Geschichte eine schwierige Beziehung zum Militär“, sagt Drehbuchautor Christian Pfannenschmidt (65). „In anderen Ländern werden Kriegsheimkehrer als Helden gefeiert, hier werden sie oft wie Trottel behandelt, die dumm genug sind, ihren Kopf hinzuhalten.“
Oberstarzt Karl-Heinz Biesold (58) kümmert sich als Psychiater im Hamburger Militärkrankenhaus um traumatisierte Soldaten. Er hat die Filmemacher als Experte beraten. „Während eines Einsatzes macht sich ein Trauma selten bemerkbar“, sagt er. „Es bricht erst aus, wenn die Anspannung von dem Menschen abfällt.“ Es kann Jahre dauern, bis ein Trauma erkannt wird. Biesold geht davon aus, dass mehr als die Hälfte aller Traumaopfer unregistriert bleibt.
Doch Verdrängung ist die falsche Strategie. Immer wieder platzen die seelischen Narben auf. „In der Trauma-Situation haben sich bestimmte Erinnerungen ins Gehirn gebrannt“, erklärt Biesold. „Wenn der Mensch einer spezifischen Farbe, einem Geräusch oder wie Ben Winter einem Geruch wieder begegnet, kommen die Bilder hoch. Der Körper reagiert wie in der Gefahrensituation. Herzrasen. Schweißausbrüche.“
Man könne nicht darauf hoffen, dass sich ein posttraumatisches Belastungssyndrom von allein heile, so Biesold. Dennoch sind rund ein Drittel der Patienten nicht mehr in der Lage, ihren Soldatenberuf auszuüben. In den USA gibt es bis heute sogar rund 250000 Veteranen, die an PTBS leiden und nicht mehr eingegliedert werden können. „Einige leben in Wäldern, weil sie sich nicht mehr in die Stadt trauen.“
Simulierte Geiselnahmen und Überfälle
Um die Zahl der Traumageschädigten zu verringern, setzt die Bundeswehr auf Prävention. In Vorträgen und Filmen bereitet die Bundeswehr die Soldaten auf die neuen Eindrücke vor. Außerdem werden Extremsituationen durchgespielt, Geiselnahmen und Überfälle simuliert. „Doch es gibt Dinge, die liegen außerhalb jeder Vorstellungskraft“, sagt Biesold. „Auf das Ausheben eines Massengrabes oder wenn durch die eigene Kugel ein Mensch stirbt, darauf kann man sich nicht vorbereiten.“
Unterscheidet sich die Situation der Soldaten heute von der der Menschen nach Ende des Zweiten Weltkriegs? „Damals war ein ganzes Volk traumatisiert“, sagt Biesold. Ein kollektiv erlebtes Trauma könne besser verarbeitet werden. Heute seien die Soldaten Außenseiter. „Die Bevölkerung verschließt Augen und Ohren vor ihren Problemen. Das ist ungesund. Da gilt der Spruch: Geteiltes Leid – ist halbes Leid.“
Gaby Herzog
Das Erste, 20.15 Uhr
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