Per Klick in Münchens braune Vergangenheit
Das lange umstrittene Projekt „Memory loops“ von Michaela Melián ist eine gelungene Verbindung aus Medienkunst und historischem Gedenken
Die Ortlosigkeit des Denkmals stieß erst auf Unverständnis. Der CSU-Kulturpolitiker Richard Quaas hielt es anfangs geeignet „als Sponsor-Gag eines Mobilfunkbetreibers“. Im Dezember 2008 wurde „Memory Loops“ gegen die Stimmen der CSU bewilligt. 350
Nun, mit leicht geänderten Konzept, ist Michaela Meliáns „Memory Loops“ eine geglückte Gratwanderung zwischen Medienkunst und historischem Erinnern. Anfangs schwebt auf der Homepage www.memoryloops.net eine Wolke blauer Kringel über dem stilisierten Stadtplan. Herangezoomt lassen sich die Kreise einzeln anklicken. Sie sind mit Tonspuren hinterlegt, die Zeugen der NS-Zeit zu Wort kommen lassen.
Intelligent gemacht
Am Platzl liest eine Kinderstimme den Aufruf zu einer antisemitischen Massenveranstaltung der NSDAP, bei der Adolf Hitler als Redner von Bierkeller zu Bierkeller eilte. In der Weinstraße 14 erinnert sich der Neffe von Kurt Landauer, der 1933 als Präsident des FC Bayern zurücktreten musste und während der Novemberpogrome 1939 als „Schutzhäftling/Jude“ ins KZ Dachau verschleppt wurde.
Melián hat die Dokumente künstlerisch überformt: Sie werden von heutigen Sprechern mit jungen Stimmen vorgetragen, um die Gegenwärtigkeit des Erinnerns zu betonen. Von den Nazis verfemte Musik von Mendelssohn Bartholdy, Coco Schumann oder Karl Amadeus Hartmann leiten sie ein.
In einem zweiten Schritt geht das Projekt in den öffentlichen Raum: An 60 Erinnerungsorten hängen in Kürze Tafeln mit Telefonnummern. Über sie können die Tonspuren zum Ortstarif vom Mobiltelefon abgerufen werden. Ergänzend wird eine App für das iPhone angeboten, die neben den Stimmcollagen via GPS das Navigieren zu den Orten der Erinnerung ermöglicht. In der Villa Stuck, dem Haus der Kunst und im Lenbachhaus können kostenlos mp3-Player mit Tonspuren entliehen werden.
Der didaktische Anspruch von „Memory Loops“ widerspricht intelligent dem Klischee von der eher selbstbezüglichen Medienkunst. Es spricht die Technikbegeisterung vor allem jüngerer Nutzer an und könnte sich bald als unverzichtbarer Teil des Geschichtsunterrichts an Münchner Schulen erweisen.
Robert Braunmüller