Paragraphen im Sumpf

Die schwierige Debatte um die Herausgabe von enteigneten Kunstwerken
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Die schwierige Debatte um die Herausgabe von enteigneten Kunstwerken

Für das Münchner Lenbachhaus ist das Gemälde eine von vielen Perlen seiner Sammlung, doch für die Eigentümerin von einst und ihre Erben ist es bis heute mit dem Familienschicksal in Krieg und Verfolgung verknüpft: Paul Klees „Sumpflegende“ von 1919, um das ein jahrelanger Rechtsstreit zwischen den Erben und der Stadt München geführt wurde.

Das Ehepaar Sophie und Paul Erich Küppers hatte es noch im Entstehungsjahr erworben. Es war eines der ersten Stücke ihrer Sammlung – und ist zu einem komplexen Fall von NS-Raubkunst geworden. Melissa Müllers und Monika Tatzkows sorgfältig recherchierter Band „Verlorene Bilder. Verlorene Leben. Jüdische Sammler und was aus ihren Kunstwerken wurde“ (Elisabeth Sandmann, 256 Seiten, 34 Euro) erzählt Sophie Küppers-Lissitzkys bewegende Geschichte nach, zusammen mit 14 anderen Sammlerleben – von Lilly und Paul Cassirer bis zu Adele und Ferdinand Bloch-Bauer.

Bei der heutigen Buchpräsentation wird auch Sophie Küppers’ Sohn aus zweiter Ehe, Jen Lissitzky, anwesend sein. 1993 war er mit einer Klage auf Herausgabe des Bildes gescheitert. Die Frage des „gutgläubigen Erwerbes“ spielte ebenso eine Rolle wie der Ablauf der Verjährungsfristen. Zuletzt lehnte OB Christian Ude im Januar die Herausgabe des Klee-Gemäldes ab, da „auf Werke der so genannten ,Entarteten Kunst’ das Washingtoner Abkommen keine Anwendung finde. Doch der Fall wird wohl in den USA weiterverhandelt.

Paragraphen-Reiterei ohne Augenmaß

Sophie Küppers war 1927 zu ihrem zweiten Mann, dem Maler El Lissitzky, nach Moskau gezogen. 1941 starb er an Tuberkulose; 1944 wurde sie mit ihrem Sohn Jen nach Sibirien verbannt, wo sie 1978 starb. Die „Sumpflegende“ hatte sie 1926 dem Museum Hannover als Dauerleihgabe überlassen, dort beschlagnahmten es die Nazis für die Ausstellung „Entartete Kunst“ in München 1937, 1941 kam es in den Kunsthandel.

Das war nichts anderes als Diebstahl. Inwieweit muss dafür die Landeshauptstadt geradestehen? Erst 1982 hat sie das Bild mit der Gabriele Münter- und Johannes-Eichner-Stiftung zum Verkehrswert von 640000 Schweizer Franken erworben. In dieser speziellen Besitzkonstellation (mit Beteiligung einer privaten Stiftung) gelten weder die Washingtoner Prinzipien noch die Selbstverpflichtung der Rückgabe. In der Debatte wird häufig „Moral gegen Recht“ gestellt. Der Jurist Gunnar Schnabel führt im Nachwort von „Verlorene Bilder. Verlorene Leben“ die Kriterien auf, die die Alliierten 1947/49 für die Restitution von Raubkunst erließen und die als Grundlage für das Washingtoner Abkommen von 1998 gelten. In diesem Kontext erscheint Münchens Haltung als Paragraphen-Reiterei ohne Augenmaß.

Roberta De Righi

Buchvorstellung heute, 19 Uhr, in der Literaturhandlung im Jüdischen Museum am St.-Jakobs-Platz

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