Originalklang aus Ponitz

Es ist vollbracht: Der Münchner Musikhochschul-Professor Gerhard Weinberger hat als Erster das gesamte Orgelwerk Bachs eingespielt und präsentiert es in der Ludwigskirche.
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Es ist vollbracht: Der Münchner Musikhochschul-Professor Gerhard Weinberger hat als Erster das gesamte Orgelwerk Bachs eingespielt und präsentiert es in der Ludwigskirche.

Genialisch klingt das nicht: Orgelprofessor. Dabei ist Gerhard Weinberger – bei aller bayerischer Gelassenheit – ein echter Enthusiast. Oder wer widmet schon 12 Jahre seines Lebens einem Projekt?

Vor genau einem Jahr meinte er noch, pathetisch sagen zu können: Es ist vollbracht! Der Münchner Weinberger hatte nach 12 Jahren geschafft, woran Superstars der historischen Aufführungspraxis, Ton Koopman und Eliot Gardiner, gescheitert waren: Die Gesamteinspielung des Bach’schen Orgelwerks. 21 CDs mit dem Klang historischer Kirchenorgeln, alles Instrumente, auf denen schon Johann Sebastian selbst gespielt hat – oder hätte spielen können.

Auf historischen Orgeln der Bach-Zeit

Dann lief letzten März plötzlich eine Meldung durch die Presse: In Halle war im Nachlass des Thomas-Kantors und ersten Herausgebers des gesamten Bach-Werks, Wilhelm Rust (1822 – 1892), eine neue Choralfantasie gefunden worden: „Wo Gott der Herr nicht bei uns hält“.

„Ich rief also mein Label im Teutoburger Wald an und verkündete: ,Es geht weiter!’“, erzählt Weinberger beim Italiener in Laim: „Der Manager von CPO hatte ja den Ehrgeiz, Komplettes zu bieten. Also brachen wir wieder mit Tontechnikern ins Fachwerkstädtchen Duderstadt in Niedersachsen auf, um im sogenannten Eichsfelder Dom auf der Creutzburg-Orgel von 1735 die 22. CD aufzunehmen.“

Orgelparadies Ost

Die meisten Orgeln der CD-Edition stehen jedoch in Thüringen und Sachsen. Die Ortswahl war aber nicht nur dem Geiste Bachs in dieser Region geschuldet: „Die Widervereinigung war die Rettung“, sagt der Kirchenmusiker-Sohn aus Paffenhofen: „Im Sächsischen und Thüringischen gab es noch Orgeln, die seit dem Barock nicht verändert worden waren und erst jetzt historisch restauriert wurden. Im Westen hat man in den 60ern und 70ern viele Orgeln renoviert, zum Teil sogar mit Plastikteilen. Dagegen: Ponitz, Großengottern, Mühlberg, Zschortau, Mechterstädt – der Originalklang ist an den Originalorten heute am besten zu hören.“ Bei aller Begeisterung über zum Teil stimmreine statt zweifelhaft wohltemperierter Orgeln ist Weinberger aber kein Dogmatiker: „Bei mir muss kein Konfirmant den Orgelblasebalg treten, damit die Orgel atmet.“

Am Samstag stellt Gerhard Weinberger unter anderem auch die neue, alte Choralfantasie „Wo Gott der Herr nicht bei uns hält“ in der Münchner Ludwigskirche vor, „auch wenn hier eine eher romantisch intonierende Orgel steht“.

Notfalls auch digital

Aber weiß man überhaupt, wie Bach den Klang wollte? „Bach selbst forderte ,Gravität’, also eine Art schwerer Würde. Er selbst hat ja frisch gebaute Orgeln abgenommen und war sogar mit dem berühmten Orgelbauer Silbermann für Jahre überkreuz.“ Was Weinberger aber nicht gehindert hat, auch im Dom zu Freiberg oder an der Orgel der Hofkirche in Dresden auf Silbermannorgeln aufzunehmen. Dass Weinberger eben kein Originalklang-Fetischist ist, beweist er nicht zuletzt auf Amerikatouren: „Da habe ich schon Max Reger auf einer digitalen Orgel gespielt. Da stehen im Stereo-Surround-System große Boxen in der gesamten Kirche. Und die Töne, die ich anschlage, sind elektronisch einprogrammiert.“

Adrian Prechtel

Die 22-CD-Edition „Bach – Sämtliche Orgelwerke“ bei CPO, 49.99 Euro, www.cpo.de

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