"Orestie": Aus der Party in den Krieg
Nach überzeugendem Beginn schlittert Christine Eders „Orestie“-Inszenierung im Volkstheater zunehmend in einen Comicstrip und endet mit einer Veralberung der Aischylos-Tragödie
Eine Strandparty am Lagerfeuer mit griechischer Musik, junge Leute in Jeans, Shorts und T-Shirts trinken, tanzen, und schmusen. Plötzlich hebt einer an zu sprechen – und alle schreien „Krieg! Krieg! Krieg!“ und „Töte! Töte! Töte!“. Mit diesen Beginn ihrer „Orestie“-Inszenierung am Volkstheater verweist die 33-jährige Regisseurin Christine Eder auf die Tradition der „oral history“, aus der das Theater entstand. So unvermittelt, wie die jungen Darsteller in die 2500 Jahre alte Tragödien-Trilogie von Aischylos springen, so schlaglichtartig geht es weiter durch die Nachdichtung von Walter Jens. Bei der Premiere dauerte der rasende Schnellkurs nur 90 Minuten – Tiefe und Reflektion bleiben dabei auf der Strecke.
Das Lagerfeuer brennt die ganze Zeit auf Monika Rovans Sandbühne. Die Party-Requisiten finden Verwendung: Badehandtücher werden zum roten Teppich, ein Schlafsack zum tödlichen Fangnetz für den eitlen, gewalttätigen Kriegsheimkehrer Agamemnon (Jean-Luc Bubert). Seine Frau Klytaimnestra (Barbara Romaner) heuchelt Freude und meuchelt sofort den Gatten samt seiner weissagenden und schwarzsehenden Kriegsbeute-Geliebten Kassandra (Kristina Pauls). Kaum hat sie mit ihrem Weichei-Liebhaber Aigisth (Justin Mühlenhardt) die Herrschaft angetreten, wartet schon ihr verbannter Sohn Orest (Robin Sondermann) vor der Tür, um mit Hilfe seiner Schwester Elektra (Xenia Tiling) den Mord am Vater zu rächen. Wie einen Hund befiehlt er die Mutter zu sich und metzelt sie genauso wie sie zuvor Agamemnon.
Solange es um menschliche Angelegenheiten geht, findet Christine Eder meist überzeugende Bilder mit viel Theaterblut. Sie erzählt die Story in den Grundzügen korrekt nach, doch wer die Geschichte gar nicht kennt, dürfte bei soviel Verkürzung bald aussteigen. Zu schnell folgen die Setzungen aufeinander, zu wenig Entwicklungsraum haben die Figuren und Situationen. Man fühlt sich zunehmend wie in einem blutigen Comicstrip – neues Bild, neue Lage, ächz, bumm, Feind tot, der Nächste bitte! Die „Orestie“ als Daumenkino – da fehlt eine entscheidende Dimension der Fluch- und Rache-Tragödie.
Und wenn nach einem Gewitter mit Sandregen die Götter ins Spiel kommen, rettet sich die Regisseurin in die Parodie. Jean-Luc Bubert posiert als tuntiger Bodybuilder-Apollo in Unterhosen auf einem Biertragl. Bei seinem belachten Satz „Ich rufe jetzt Athene an“ würde man sich nicht wundern, wenn er aus seiner Windel ein Handy zöge. Die Göttin Athene (Mareile Blendl) mit aufgemaltem Schnurrbart macht den Gerichts-Prozess gegen Orest zur lächerlichen Farce. Dass sich da ein grundlegender Wechsel von der Blutrache des matriarchalischen Gesetzes zu einem patriarchalischen Justiz- und Staatsrecht vollzieht, geht unter in den Freudenschreien Apollos, der sich ausgelassen in den Sand wirft. Da sind wir dann endgültig wieder auf der Kindergarten-Strandparty.
Gabriella Lorenz
Volkstheater, 29. Jan., 4., 5., 24., 25., Feb., 19.30 Uhr, Tel. 5234655