Ohrstöpsel nicht vergessen
Rot könnte man werden, wenn man ganz vorne steht. So intensiv pulsieren die beiden Boxentürme und die meterhohe Leuchtdioden-Wand auf der Bühne. Die schneidenden Beats, kombiniert mit den verzerrten Streichern kündigen bereits an, dass man mit dieser vieldeutigen Signalfarbe Aggressionen wecken will. Für Liebe hat man ja später noch Zeit.
Die französische Elektro-Band Justice sorgte mit ihrem radikalen Straßengang-Video „Stress“ vor vier Jahren für Diskussionen. Und auch beim Auftritt der beiden DJs Gaspard Augé und Xavier de Rosnay im vollen Zenith nimmt die Inszenierung des Sirenen-Schauerstücks eine besondere Stellung ein.
Denn Justice verzichten in ihrer 90 minütigen Show auf extravagante Videoinstallationen oder ausgefallene Farbspielereien – ohne deswegen farblos zu wirken. Weißes Licht dominiert ihre Beat-Messe, im Zentrum steht wie immer ihr Markenzeichen, das hell leuchtende Kreuz. Darüber thronen fast versteckt in ihrer magisch funkelnden Kanzel die DJs. Ihre Blicke sind meist starr auf das blinkende Mischpult gerichtet, wenn sie nicht mit „Freeze“-Einlagen für ein wenig Abwechslung sorgen. Ihr Schweigen konterkariert den martialisch scheppernden Sound, eine hypnotische, anspruchsvolle und manchmal auch anstrengende Mischung aus Pop, Rock und Elektro. Zwischen den überraschenden Stroboskopblitzen donnert die Bombast-Berieselung kompromisslos über die jungen Fans hinweg, gesampelte Gesangsfetzen wie „Do The Dance“ werden energisch in die Tat umgesetzt.
Eine, wenn auch unfreiwillige Botschaft geben die House-Hohepriester den verschwitzten Freunden der Nacht noch mit auf den Weg: Vergiss bei einer Justice-Messe nie die Ohrstöpsel, sonst könntest du schneller taub sein, als dir lieb ist!
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