Ohne faden Beigeschmack
Favoritensiege sind langweilig. Das gilt nicht nur für Sportveranstaltungen, sondern auch für Kulturereignisse. Aber warum sollte man sich für einen krassen Außenseiter entscheiden? Um fragwürdige Auswahlkriterien zu hinterfragen, oder um endlich einen Eklat zu provozieren?
Die Berlinale-Jury ging bei der Preisvergabe den sicheren Weg. Und das war auch gut so. Denn der Goldene Bär für den iranischen Wettbewerbsbeitrag „Nader und Simin, eine Trennung” war nicht nur der Favorit bei den Buchmachern, sondern auch der verdiente Gewinner in einer schwachen Konkurrenz. Der iranische Regisseur Asghar Farhadi zeigte sich sichtlich bewegt von der Auszeichnung für sein humanistisches Werk.
Kein Film im diesjährigen Berlinale-Zirkus gelang es, so konsequent und spannend eine vielschichtige Geschichte zu erzählen, die auch ganz subtil von den Problemen des Landes berichtete. Umso schöner, dass der Preis nicht den faden Beigeschmack eines Solidaritäts-Statements an den immer noch inhaftierten iranischen Filmemacher Jafar Panahi hinterließ. Artig gedachte Farhadi in seinen verständlicherweise sehr vorsichtigen Interviews dann aber doch dem Regiekollegen mit der Hoffnung, dass „Jafar nächstes Jahr hier sein kann”.
Den Preisregen für „Nader und Simin, eine Trennung” komplett machten die Auszeichnungen für das beste männliche und weibliche Darsteller-Ensemble. Diese ungewöhnliche Jury-Entscheidung beinhaltete auch den zarten Hinweis, dass kein Schauspieler im Wettbewerb wirklich herausragte. Überhaupt stand der Wettbewerb unter dem wenig funkelnden Stern: „Die Entdeckung der Langsamkeit”. Konsequentester Vertreter dieser schwer verdaulichen filmischen Leitlinie war „Das Turiner Pferd”, der mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet wurde. Regisseur Béla Tarr machte es auf der Bühne seinem ungenießbaren Filmmuseumsstück nach und holte sich seinen Bären schweigend wie ein Glas Bier vom Tresen ab.
Dankesreden gab es aber von deutscher Seite. Andres Veiel erhielt für sein RAF-Drama „Wer wenn nicht wir” den Alfred-Bauer-Preis und überraschend bekam Ulrich Köhler auch den Regiebären für seine komplexe Afrika-Studie „Schlafkrankheit” überreicht. Und das, obwohl sein klischeefreies Drama zuvor noch heftig ausgebuht wurde. Aber der sympathische, nie eingeschnappte Regisseur bewies die dicke Haut seines Film-Nilpferds und wurde am Ende belohnt.
Florian Koch
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