Ödipussi in Latzhosen

Nicht für Männerhände: In Sean O’Caseys „Das Ende vom Anfang“ schlagen misshandelte Haushaltsgeräte gnadenlos komisch zurück
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Nicht für Männerhände: In Sean O’Caseys „Das Ende vom Anfang“ schlagen misshandelte Haushaltsgeräte gnadenlos komisch zurück

Blau dämmerts überm Irenland. Eine zottelige Kuh tapert ums strohgedeckte Bauernhaus. Das unpoetisch veranlagte Vieh schnüffelt an der blauen Blume, tritt darauf und reibt sich am Bühnenausschnitt des Cuvilliés-Theaters.

Damit war das „Ende vom Anfang“ gelaufen. Nichts konnte schief gehen, obwohl Darry Berryll (Oliver Nägele) alles misslingt Er will seiner Frau beweisen, wie schnell die Hausarbeit erledigt ist. Während sie (Eva Schuckardt) eine Wiese mäht, vertrödelt er viel Zeit mit grammophongestützten Leibesübungen und übt mit dem kongenialen Rindvieh (Michael von Au) ein idiotisches Lied. Vier linke Händen verhelfen der weiblichen Prophezeihung zur Wahrheit, dass zuletzt allein die Wände des Hauses stehen bleiben.

Blutbeschmiert neben dem Freund

Nägeles Stimme wirkt anfangs intellektuell unbäurisch, aber auch das harmoniert perfekt mit diesem zaudernden Mann der Untat. Er versucht sich an der Weckerreparatur mit dem Küchenmesser und schiebt den Schaden später seinem linkischen Freund zu. Von Au, wie mit dem Schuhlöffel in seine Latzhose gestopft, kann weder abspülen noch trocknen und greift im Dunkeln zielsicher in Rasierklingen. Auf der Suche nach einem Pflaster zerlegt er einen ganzen Küchenschrank. Dann sitzt der kurzsichtige Clown blutbeschmiert neben seinem Freund wie der schicksalslastige Tragödien-Ödipus.

Der Zuschauer kann bei allem Spaß auf den doppelten Boden hinunterschauen, weil Dieter Dorn mit der Sorgfalt eines großen Shakespeare-Abends behutsam inszenierte und die beiden Schauspieler den komödiantischen Affen nicht überzuckern. Sie nehmen sich Zeit für den Aufbau komischer Spannungen und überhasten nichts. Deshalb überrascht es umso mehr, wenn Nägele sich am Spülwasser verbrüht und Au nach vielen vergeblichen Versuchen doch noch die weiße Denby-Teekanne zerbricht. Der Mandolinenkasten, den Au mit einem kühnen Schwung auf das wackligschmale Kaminbord befördert, fällt bei dem ganzen Durcheinander jedoch niemals herunter.

Wer räumt den Verhau auf?

Im mit Grünland und Schauspielern gesegneten Oberbayern verwundert eine Berliner Kuh. Auch das Grammophon könnte realistischer traktiert werden. Sei’s drum: Am Ende waren die Besucher froh, den Verhau nicht aufräumen zu müssen. Was O’Casey nach Fallen des Vorhangs der lebenstüchtigen Frau vorhält, verrichten im Sinn einer höheren Gerechtigkeit beim Staatsschauspiel zwei männliche Requisiteure.

Robert Braunmüller

Wieder am 6., 13., 14., 23. und 27. 12., Karten: Tel. 2185 1940

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