O mia bella Napoli

So viel Schönheit muss eine Kehrseite haben – in der Neuen Pinakothek zeigt die Ausstellung „Neapel und der Süden” beide Seiten der Medaille mit ausgesuchten historischen Fotografien
Christa Sigg |
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Johann Wolfgang von Goethe wollte hier sterben, nun ja, und selbst unsere spröde Kanzlerin zieht’s urlaubend an den Vesuv. Ganz zu schweigen von all den Schnulzen, die „Bella Napoli” mit viel Schmalz besingen. Kaum eine Landschaft ist so kitschbeladen, kaum ein Landstrich aber auch so schön wie Neapel und seine Umgebung.

Ein Faszinosum, dem nicht zuletzt die Fotografen der ersten Stunde erlagen. In der Neuen Pinakothek ist ihren Aufnahmen die Ausstellung „Neapel und der Süden” gewidmet. Die erste nach einer längeren Umbauphase im Branca-Bau und – nach „Venedig”, „Florenz” und „Rom” – nun die vierte Schau aus den hochkarätigen Beständen des Münchner Sammlers und Dokufilmers Dietmar Siegert.
Tatsächlich transportieren diese 120 Fotografien aus der Zeit von 1846 bis 1900 eine ganze Menge der viel gepriesenen „Bellezza”. Und noch durchs Schwarz-Weiß glaubt man den Duft der Früchte und Blumen zu riechen, den salzigen Dunst des tiefblauen Meeres oder den schwefligen Qualm des Vesuvs. Auch der hat neben allerlei antiken Tempeln Fotopioniere wie den Deutschen Giorgio Sommer oder Roberto Rive angezogen – der Schrecken der Zerstörung gehört zu diesem Paradies wie das allerbitterste Elend. Verkörpert von zerlumpten Straßenkindern und Eseltreibern, von Fischerfamilien, die sich nur in ein paar lausige Fetzen hüllen können und – wen wundert’s – windigen Taschendieben.

Neapel war ein Moloch, hatte um 1880 mehr als eine halbe Million Einwohner, nur in Paris und London gab es ein vergleichbar krasses soziales Gefälle. Doch die Fotografie ist noch kein Medium der Kritik, viel mehr interessierte die Inszenierung des einfachen, „idyllischen” Lebens samt seiner Kuriositäten. Und schließlich waren die Mittellosen geduldige Modelle in den endlosen Aufnahmesitzungen. Beim Makkaroni-Essen oder verkleidet in römische Gewänder wie im Atelier des Foto-Barons Wilhelm von Gloeden. Und in bunter Tracht für Touristen. Die hatten Gefallen an pittoresken Bildern. Kein Wunder also, dass damals schon das Geschäft mit den Kitschpostkarten florierte.

Bis 26. Februar, Mi bis Mo, Katalog 39.80 Euro (Hatje Cantz)

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