Nur Nonnen fürchten die Entfremdung

Nicht lauter als Hard Rock: Die verspätete Uraufführung von Dror Feilers „Halat Hisar“ bei der musica viva im Herkulessaal
von  Abendzeitung

Nicht lauter als Hard Rock: Die verspätete Uraufführung von Dror Feilers „Halat Hisar“ bei der musica viva im Herkulessaal

Den Streit um die im April 2008 abgesagte Uraufführung von Dror Feilers „Halat Hisar“ im Ohr, kamen viele Besucher mit geeigneten Stöpseln bewaffnet. Vor der Pause konnten sie in der Tasche ruhen, denn Morton Feldman verlangt laut Programmheft in seinen „The Turfan Fragments" fünffaches Piano. Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks unter Roland Kluttig gewährte freilich nur handelsübliche Zimmerlautstärke. So stellte sich der meditative Sog hier und bei „String Quartet and Orchestra“ kaum ein.

Dann entfernten sich zwei Nonnen vorsichtshalber aus Reihe 14 des vollen Herkulessaals. Feiler beginnt verhalten. MG-Feuer wird zugespielt, dann lärmen 90 Musiker gegen eine verstärkte Altflöte (Carin Levine) sowie ein präpariertes und ein normales Klavier (Jan-Philip Schulze) an. Der nach 20 Minuten unentschieden abbrechende Gefechtslärm war heftig, blieb aber unterhalb von Hard Rock. Auf dem Podium vor dem krachenden Schlagzeug mag dies anders gewesen sein. Deshalb war der Protest der Musiker im vorigen Jahr völlig berechtigt. Rätselhaft bleibt, wieso die verschnarchte Leitung der musica viva angesichts der ausdrücklichen Warnung im Vorwort der Partitur nicht schon damals Schutzwände und eine geänderte Aufstellung des Orchesters veranlasste.

Künstlerisch überzeugt „Halat Hisar“ allerhöchstens halb. Feiler drischt mit der Wucht einer Abrissbirne gegen den Elfenbeinturm der Neuen Musik. Das geht in Ordnung. Auch wirkt der Protest des Komponisten gegen die israelische Politik in der Westbank aus biografischen Gründen authentisch. Aber er bekämpft Terror mit Terror. Das nervt nach fünf Minuten wie der ganze Wahnsinn aus Nahost.

Was wirklich verärgert: Das lärmende Klangband wirkt weitgehend beliebig. Marxistisch formuliert, lässt der Komponist die Musiker mutwillig entfremdete Arbeit verrichten. Einem bekennendem Linken sollte das nicht passieren.

Robert Braunmüller

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