Nur die Musik zählt
Maurizio Pollinis Klavierabend mit Schumann und Chopin im Herkulessaal
Mittlerweile ist der 1942 geborene italienische Superstar in einem Alter, in dem man ihm spieltechnische Flüchtigkeiten nachsieht. Mit den Schlusstakten des zweiten Teils der Fantasie op. 17 von Schumann hatte selbst Vladimir Horowitz bei seiner Rückkehr in die Carnegie Hall 1965 soviel Probleme, dass er den Live-Mitschnitt nachträglich im Studio korrigierte, was ihm böse Vorwürfe einbrachte.
Auch Maurizio Pollini leistete sich im ausverkauften Herkulessaal hier wie in einigen Chopin-Mazurken den einen oder anderen Fehlgriff. Seine spärliche nachschöpferische Spontaneität mag ihm gelegentlich als Kälte ausgelegt werden. Doch wer wagt schon glaubhaft zu widerlegen, dass ein einmal für richtig erachteter Interpretationsansatz keiner Veränderung bedarf. Soll man das Finale der Schumann-Fantasie, den Trauermarsch in der b-moll-Sonate von Chopin nur deshalb ständig anders spielen, weil sie dann womöglich lebendiger klingen?
Bewahrte Sternstunden
Wieder einmal wurde deutlich, dass Maurizio Pollinis Meisterschaft eben gerade darin besteht, einmal erarbeitete Sternstunden zu bewahren. Dass er dabei gelegentlich die Grenzen einer Komposition aufzeigt, weil er sich weigert, sie glamourös aufzupäppeln, war in Schumanns „Concerto ohne Orchester“ op. 14 unüberhörbar. Später dann, in der Fantasie op. 17 und in Chopins Sonate, wurde der Pianist plötzlich Nebensache.
Nur die Musik zählte, grandios begriffen und vorgetragen von einem, der noch immer den meisten seiner Kollegen wenn schon nicht die Fingerfertigkeit voraus hat, so aber doch das Wissen um das, was zwischen den Zeilen steht. Ovationen dankten ihm dafür.
Volker Boser
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