Nüchtern gegen das Pathos

Filmstar Fanny Ardant als Jungfrau von Orléans bei den Salzburger Festspielen
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Filmstar Fanny Ardant als Jungfrau von Orléans bei den Salzburger Festspielen

Johannas Büßergewand war von Prada. Allerdings wurde es der französischen Schauspielerin lediglich „bereitgestellt“, wie das Programmheft vermerkte. Ein weißes, schlichtes Kleid im Retro-Look, für eine konzertante Aufführung gut genug und deutlich abgesetzt von der schwarzen Einheitskluft der männlichen Kollegen. Doch auch in attraktiver Festspielbesetzung ist Arthur Honeggers Oratorium kein Publikumsmagnet. An der Abendkasse der Felsenreitschule gab es Karten in allen Preisklassen.

In einer losen Szenenfolge schildert „Jeanne d’Arc au bucher“ („Johanna auf dem Scheiterhaufen“) das Schicksal des Mädchens aus Domrémy zumeist in Rückblenden, chronologisch ungeordnet und deshalb oft reichlich verwirrend: Stimmen des Himmels sprechen zu der Verurteilten, ein Schwein, Schafe und Esel sitzen über sie zu Gericht – Paul Claudels Text, geprägt von einem sehr französischen Katholizismus, ist 72 Jahre nach seiner Entstehung gewöhnungsbedürftig geworden.

Koordinieren ist nicht genug

Auch wenn Fanny Ardant als Johanna, neben dem grandiosen Tenor Gilles Ragon, der in mehrere Rollen schlüpfen durfte, das Geschehen souverän beherrschte: Mit virtuosem Selbstverständnis umschiffte sie alle Klippen, mied Pathos, setzte auf einen angenehm nüchternen Tonfall und bot auf diese Weise sogar der Musik Honeggers Paroli. Der Schweizer Komponist bemühte ein breites Spektrum an klanglicher Fantasie, von A-capella-Momenten bis zur großen romantischen Rückschau. Aber der Gefahr, sich von der Textvorlage einlullen zu lassen und sentimental zu werden, konnte er dann doch nicht immer entgehen.

Hier hätte der Dirigent Bertrand de Billy eingreifen müssen. Leider war er ausreichend damit beschäftigt, die Chöre (Wiener Singverein, Kinderchor der Salzburger Festspiele) und das ORF Radio-Symphonieorchester zu koordinieren sowie Sprechern wie Sängern die richtigen Einsätze zu signalisieren. Statt zuzupacken, Konturen zu schärfen, begnügte er sich mit nachgiebigem Taktieren. Dass er – neben Fanny Ardant, Jean-Philippe Lafont (Frère Dominique) und Gilles Ragon – dennoch den meisten Beifall erhielt, war einigermaßen verwunderlich.

Volker Boser

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