Noch ein Kandidat für die Philharmoniker
Vorwärts drängend: Hilary Hahn und das Royal Scottish National Orchestra im Gasteig
Mit der zweiten Zugabe, einem Volkstanz aus der Heimat, hatte sich das Royal Scottish National Orchestra aus Glasgow endgültig die Ovationen gesichert. Zuvor präsentierte der französische Chefdirigent des Orchesters, Stéphane Denève, Dvoráks achte Symphonie als Postkarten-Idylle: mit knalligen Farben, ohne sich allzu viel um klangliche Delikatesse zu scheren. Ganz im Gegensatz zur einleitenden „Pelléas et Mélisande“-Suite von Gabriel Fauré, die vor Sensibiliät geradezu strotzte.
Die Philharmonie war ausverkauft, wohl weniger wegen der schottischen Gäste. Aber Weltklasse-Geigerin Hilary Hahn hatte sich wieder einmal angesagt. Diesmal mit dem Sibelius-Konzert: Wer das Stück von ihr bereits öfter gehört hat, mag festgestellt haben, dass sie von ihrer sehr statisch klassischen Auffassung abgerückt ist, was ausgesprochen gut tut. Unaufgeregt, aber dennoch stets energisch vorwärts drängend, spürt sie den Strukturen nach, lässt sich durch keinerlei Fußangeln aus ihrer spieltechnischen Souveränität bringen und demonstriert auch im Ausdruck eine solch grandiose Vollkommenheit, dass alle denkbaren Einwände verstummen. Etwa dazu, dass die Tempi doch überwiegend langsam waren.
Während des Konzerts kam gelegentlich der Gedanke an unsere alsbald verwaisten Philharmoniker auf: Stéphane Denève (39) sollte sie zumindest interessieren. An der Mailänder Scala wird der ehemalige Assistent von Seiji Ozawa im Juni Gounods „Faust“ neu einstudieren.
Volker Boser
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