Nigel Kennedy in der Philharmonie
Genrewechselnd, feixend und busselnd: Nigel Kennedy legt in der Philharmonie los.
Ganz viel Platz bleibt im rückwärtigen Teil der Bühne. Nigel Kennedy und sein „Orchestra of Life" schmiegen sich an den vorderen Rand, ganz nahe bei den Zuschauern. Intimer geht es in der Philharmonie kaum - gut so, denn man möchte auch gerne nah dran sein an diesem exzentrischen Virtuosen. Kennedy trägt Windstoßfrisur und seinen üblichen Lumpenlook. Seine Jacke wirkt, als hätte er den rechten Ärmel abgeschnitten, weil er beim Geigen störte.
Wahrscheinlich war es auch so. Er schäkert ein bisschen mit dem Publikum, dann legt setzt er die Geige an und legt los: Leidenschaftlich, romantisch und schmissig. Je nachdem. Stücke von Johann Sebastian Bach, Songs von Duke Ellington, dazwischen eine Eigenkomposition, die er als „some shit" ankündigt.
Zwischen den Stücken stellt er Mitglieder seines exzellenten „Orchestra of Life" vor, feixt wie ein Kneipenbruder mit den männlichen Musikern, busselt die Solistinnen ab und verdreht dabei die Augen. Das Publikum hat Spaß an dem Ausnahmemusiker, der an diesem Abend zwischen den Genres wechselt.
Bach-Kompositionen interpretiert Kennedy hinreißend, bei Duke Ellington lässt er seine E-Geige in Jimi-Hendrix-Manier röhren, tänzelt dabei wie Rumpelstilzchen vor seiner Truppe. Anders als im Programmheft verzeichnet, spielt Kennedy allerdings nicht abwechselnd Bach und Ellington, sondern verteilt Barock und Jazz auf je eine Konzerthälfte. Eine gute Entscheidung: Der sanfte Einsatz des Schlagzeugers bei mancher Bach-Komposition wirkt befremdlich genug. Der Abend hat ein langes Ende, auf die Standing Ovations reagiert Nigel Kennedy mit immer weiteren Zugaben. Viele hielt es nicht bis zum Schluss im Saal. Sie haben etwas verpasst.
Julia Bähr
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