Nie wieder Schlagerblabla

Zum zwölften Mal wird der 60-jährige Moderator Peter Urban den „Eurovision Song Contest“ kommentieren. Im Interview spricht er über Deutschlands Chancen beim Grand Prix.
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Die No Angels treten für Deutschland an.
dpa 2 Die No Angels treten für Deutschland an.
Peter Urban kommentert den Eurovision Song Contest.
NDR 2 Peter Urban kommentert den Eurovision Song Contest.

Zum zwölften Mal wird der 60-jährige Moderator Peter Urban den „Eurovision Song Contest“ kommentieren. Im Interview spricht er über Deutschlands Chancen beim Grand Prix.

AZ: Herr Urban, haben Sie sich schon mit den Regeländerungen beim „Eurovision Song Contest" vertraut gemacht?

PETER URBAN : Ja, und ich finde die Aufteilung in zwei Halbfinals prinzipiell sehr gut. Die Balkanländer, die osteuropäischen Länder und auch Griechenland und Zypern wurden so ausgelost, dass sie nicht im gleichen Halbfinale antreten und füreinander abstimmen können. Erst im Finale, wenn alle 43 Teilnehmerländer wählen dürfen, kann es wieder Sympathiestimmen geben.

War diese Neuerung notwendig?

Um den Unmut in den westlichen Ländern zu beruhigen, ist die Regelung gut. Wenn statt 16 nur noch zehn osteuropäische Kandidaten ins Finale kommen, ist die Chance auf eine bessere Platzierung für westeuropäische Teilnehmer größer. Das ist nicht nur für die Stimmung gut, sondern auch notwendig für den Erhalt dieser Sendung. Wenn es nur noch die „Osteuropäischen Festspiele" wären, nähme man sich selbst die Basis für eine gesamteuropäische Veranstaltung.

War die Serbin Marija Serifovic letztes Jahr also nur Siegerin der „Osteuropäischen Festspiele"?

Dass die Sympathiestimmen je den Gewinner bestimmt haben, glaube ich nicht. Siegertitel bekommen aus allen Ländern, egal ob West oder Ost, viele Anrufe. Es gewann immer ein Lied, das irgendetwas Besonderes hatte. Der serbische Titel ging ins Herz, und der der Hardrockfinnen „Lordi" im Jahr davor in den Bauch und in die Beine. Zum Siegen braucht man etwas Einzigartiges, das nicht nur nach Schablone gefertigt ist. Jedes Mal treten Länder mit Titeln an, die den Vorjahressieger imitieren, weil sie das für ein Erfolgsrezept halten. Das funktioniert aber nicht.

Österreich nimmt aus Protest gegen die „Seilschaften" dieses Jahr nicht teil.

Das ist sehr schade und auch nicht so richtig einsichtig. Nach den Regeländerungen hätten sie sich das noch einmal überlegen sollen. Die Veranstaltung wird zwar in Österreich übertragen, aber das Interesse wird wohl deutlich geringer sein. Das ist vor allem für die No Angels ein Nachteil, denn eigentlich haben sie viele österreichische Fans, deren Stimmen ihnen jetzt entgehen.

Auch in Deutschland wurde nach Roger Ciceros 19. Platz heftig über Fairness beim „Eurovision Song Contest" debattiert. Zu Recht?

Als ich letztes Jahr beim Kommentieren merkte, dass Deutschland keine guten Wertungen bekam, war ich frustriert. Aber im Nachhinein fand ich es nicht so schlimm und die Diskussion überzogen. Es ging nicht um die Siegertitel, sondern nur um die Plätze acht bis 15, die vorwiegend von Osteuropa eingenommen wurden. Das kann man auch so erklären, dass die Menschen eine Art gemeinsamen Musikgeschmack haben. Es ist nun mal ein internationaler Wettbewerb und der hat sich dahingehend entwickelt, dass viele Staaten im Osten Europas teilnehmen, in denen Moll-Tonarten sehr gut ankommen.

Durch die zwei Halbfinals erstreckt sich der „Eurovision Song Contest" nun auf drei Abende. Das zweite Semifinale, bei dem die Deutschen nicht wahlberechtigt sind, überträgt der NDR um 00.45 Uhr ...

Das ist wohl nur für die wirklichen Fans der Veranstaltung. Die Semifinals stoßen hierzulande nicht auf großes Interesse, da wir sowieso im Finale stehen. Ich denke, vielen ist gar nicht bewusst, dass es seit einigen Jahren überhaupt ein Halbfinale gibt, geschweige denn zwei. Die Prozedur ist langwierig, aber es sind 43 Teilnehmerländer, da kann man nicht sagen, ihr dürft nur alle fünf Jahre mitmachen, sonst wird es zuviel.

Hätte sich Deutschland in den letzten Jahren oft qualifizieren können, wenn es auch durch die Vorauswahl hätte gehen müssen?

Eine schwierige Frage. Vielleicht wären wir ein paarmal ausgeschieden - was aber nicht gegen die Beiträge spricht. Wir hatten besondere Titel, zum Beispiel die Countrypop-Nummer von Texas Lightning oder der Swingtitel von Roger Cicero. Die sind sehr speziell und polarisierend. Ich fand Texas Lightning grandios, sah sie ganz weit vorn, und es kam nicht so. Aber ich sehe, welche Titel stattdessen gewinnen und erkenne deren Geheimnis. Man muss einen breiten gemeinsamen Nenner finden, und trotzdem etwas Besonderes sein.

Konnten Sie schon oft den Sieger vorher erraten?

Nein, ich glaube, noch nie. Es ist ganz seltsam: Ich denke oft, das Lied muss gewinnen, und dann kommt alles ganz anders. Ich bin ganz gut darin, Platz zwei, drei und vier zu erraten.

Ihr Tipp für dieses Jahr?

Der rumänische Beitrag ist eine wunderschöne Ballade, ich bin ziemlich sicher, dass der unter die ersten Fünf kommt. Auch die Serben singen ein tolles Liebeslied, das einen politischen Hintergrund haben könnte. Schweden bringt eine typische Pop-Hymne mit großem Orchester, tollem Refrain und einer Sängerin, die schon einmal gewonnen hat. Aber wer wirklich gewinnt, wird sicher eine Überraschung.

Zum Beispiel Irlands Vertreter, Dustin der Truthahn?

(lacht) Das Land, das großartige Lieder und auch Siegertitel hervorgebracht hat, wird vertreten von einer Handpuppe. Da war ich erst einmal schockiert, aber ich verstehe es. In den letzten Jahren landete Irland mit traditionellen Beiträgen ganz weit im Nirgendwo. Darum versuchen die Iren jetzt eine andere Schiene. Vielleicht ist das Lied auf der Bühne ganz lustig, denn beim Hören allein klingt es wie ein normaler Diskotitel. Dieses Jahr gibt es davon eine ganze Menge, meist von sehr sehr hübschen Sängerinnen präsentiert.

Apropos, wie schätzen Sie die Chancen der No Angels ein?

Die No Angels haben den Vorteil, dass sie über die deutschen Grenzen hinaus bekannt sind. Ihre Musik passt gut in den Gesamtrahmen und sie sehen interessant aus. Wenn sie ihre Performance noch etwas spannender gestalten als beim Vorentscheid, dann hat Deutschland eine echte Chance, in die Top Ten zu kommen.

Wen würden Sie gern einmal für Deutschland starten sehen?

Da habe ich einige auf dem Zettel. Es gibt auf dem deutschen Markt nicht nur Schlagerblabla, sondern auch ernste Künstler, die in deutscher Sprache singen und auch Format haben. Xavier Naidoo zum Beispiel oder Ich und Ich. Von mir aus auch eine der neuen deutschen Rockbands, wie Silbermond. Oder Sasha, mit einem richtig guten Song.

Warum drücken sich die großen Künstler vor dem „Eurovision Song Contest"?

Das hat sich verbessert, in den letzten Jahren waren einige renommierte Künstler dabei. Roger Cicero war Echogewinner, die No Angels haben auch einen großen Namen. Früher war es wohl die Angst vor dem Verlieren. Heute verbinden wohl viele den Wettbewerb noch mit Schlager à la Ralph Siegel und lassen deshalb die Finger davon. Aber der „Eurovision Song Contest" hat sich verändert.

Wie würden Sie Ihren Favoriten die Teilnahme schmackhaft machen?

Man könnte einem berühmten Sänger die Teilnahme garantieren und das Publikum entscheiden lassen, welches Lied er singen soll. Das ist natürlich blanke Theorie, aber so bestünde vielleicht die Chance, dass ich doch noch in den Genuss käme, einen Auftritt von Sasha oder Xavier Naidoo beim Songcontest zu kommentieren.

Interview: Annekatrin Liebisch

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