Nicht säen, sondern ernten

Ein Epos in der Olympiahalle: Mit den Bochumer Symphonikern und seiner Band ließ Sting seine größten Hits Revue passieren - mit sattem Klang und der großen Geste des heillosen Romantikers  
Michael Stadler |
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Die wilden Jahre sind vorbei, und auch die Leidenschaft gibt sich ein wenig besonnener. Da singt Sting in der mit 9 500 Fans gefüllten Olympiahalle „Roxanne”, und was in den Siebzigern rotzig klang, angeschärft mit kernigen Reggae-Riffs, ist nun ein sanfter Tango – die Anbetung einer Prostituierten als Ballade. Stings Stimme schmeichelt, die Streicher wärmen, und man stellt sich Roxanne als Dirne mit sanften Rundungen vor, das Rotlicht ein romantisches Versprechen.

In solchen Konzertmomenten liegt der Vorwurf nahe, dass Sting mit seiner Band, darunter auch alte, makellos spielende Weggefährten wie Gitarrist Dominic Miller, und dem Bochumer Symphonie-Orchester selbst alte Police-Stücke zu gefälligen Pop-Schnulzen einseift. Was auch stimmt. Aber es war nicht anders zu erwarten. Der 59-jährige Brite möchte im Lebensherbst erst mal nicht weitersäen, sondern ernten. Und es soll bitte schön ein Epos herauskommen, ein ergreifendes, veredelt durch Streicherschmelz und Bläserhall.

Bei „Roxanne” tut dieser Schritt ins Weiche ein bisschen weh, bei der Melancholiker-Hymne „King of Pain” ließ man sich das Anschwellen der Bläser, das dramatische Spiel vom Piano zum furiosen Orchester-Forte auch gedanklich gefallen: Schwermut lässt sich mit viel Pathos am besten genießen. Sting wirkte gut gelaunt, wobei er nicht mehr, wie in früheren Tournee-Runden, seine Lieder mit Geschichten anwürzte, sondern sich nur ein paar Mal ums Deutsche bemühte. „Ich bin sehr glucklich, wieder in Munchen zu sein” – an den Umlauten muss er noch arbeiten.

Während Sting ein wenig tourmüde wirkte, führte Dirigentin Sarah Hicks ihr 46-köpfiges Orchester munter hüftschwingend an. Christine Fischer-Eisenbrand durfte mit einem zuckersüßen Geigensolo „Whenever I Say Your Name” einläuten, und besonders in „Moon over Bourbon Street” konnte man im spannungsreichen Dialog von Orchester und Sänger erkennen, was für eine wunderbare Moritat Sting hier geschrieben hat.

Einen langen Vampir-Mantel ließ er sich dafür umhängen - dass er den ersten Teil des Konzert mit falsch zugeknöpftem Hemd bestritt, erschien wie ein charmantes Mode-Statement. Perfektion ist aber auch gar nicht das, was die Fans wollen - sondern Nähe. Bei „Every Breath You Take” rannten einige nach vorne an den Bühnenrand - und blieben dort. Rockig dann „She’s too good for me”, ganz sanft wieder „Fragile”. Zuletzt sang er an der Gitarre „Message in a Bottle”, ohne Orchester, sendete mit den Fans ein „S.O.S To the world”. Schön ist die Einsamkeit, zusammen.

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