Nicht Interpret, sondern Sprachrohr

Herkulessaal: Grigorij Sokolovs Klavierabend mit Werken Beethoven und Schubert
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Herkulessaal: Grigorij Sokolovs Klavierabend mit Werken Beethoven und Schubert

Seit Jahren hat dieser Perfektionist keine Platte aufgenommen. Mit Orchestern tritt er nicht auf. Und wenn der massige Mann mit scheinbar geschlossenen Augen auf dem Podium erscheint, verbeugt er sich mechanisch, als ob ihm Auftritte vor Publikum lästig wären.

Grigorij Sokolov verweigert sich dem Klavierzirkus, aber er füllt den Herkulessaal bis zum letzten Platz, weil er die Musik mit einem heiligen Ernst auslotet wie kein zweiter. Beethovens frühe Sonate op. 2, Nr. 2 wird unter seinen Händen kein Nachklang von Haydn oder ein Vorschein auf das Kommende, sondern ein stürmisch drängendes Werk eigenen Rechts. In der Sonate op. 27, Nr. 1 „Quasi una fantasia“ nahm er mit subtiler Anschlagskunst dem Andante-Thema die drohende Banalität und traf traumwandlerisch sicher die lächelnde Heiterkeit des Grazioso-Finales.

Sokolov wirkt nicht als Interpret, sondern als Sprachrohr des Komponisten. Mit einem gemäßigt freien Tempo bringt er die Themen zum Sprechen. Er spielt Kontraste aus, ohne sie ins Expressionistische zu verzerren. Die ungezwungene Natürlichkeit dieses Individualisten gereichte nach der Pause auch Schuberts Gasteiner Sonate zum Vorteil. Das manische Hämmern des „Con moto“ und im Scherzo war nicht unterschlagen, aber klassischem Maß unterworfen. Die leicht verhangene Heiterkeit des Finales schlug einen Bogen zu Beethovens „Quasi una fantasia“. Selten setzte ein Klavierabend im Schatten berühmterer Nachbarn stehende Sonaten so sehr ins eigene Recht. Der Jubel erzwang zahlreiche Chopin-Zugaben.

Robert Braunmüller

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