Neues vom Welterklärer
Kaum eine andere Nation liebt den Hochleistungs-Schreiber Ken Follett mehr als wir. Allein sein erfolgreichster Roman, der Mittelalter-Wälzer „Säulen der Erde”, verkaufte bei uns seit 1990 fünf Millionen Exemplare und ist fast genauso beliebt wie die Bibel. Vermutlich kann man sein neues Buch „Winter der Welt” deshalb als eine Art Dankeschön verstehen.
Wie schon in „Sturz der Titanen”, dem ersten Teil der „Jahrhundert”-Saga, bildet Follett das komplette Spektrum sozialer Schichten ab – und zeichnet so ein kontrastreiches, lebendiges Bild der Epoche rund um den Zweiten Weltkrieg. Da gibt es die neureiche Daisy aus Buffalo, die nach London zieht und sich von der verwöhnten Tochter zur mutigen Frau entwickelt. Lloyd, den idealistischen Engländer aus der Arbeiterschicht, der nach Spanien reist, um den Internationalen Brigaden gegen Franco beizustehen und desillusioniert zurückkehrt. Oder Wolodja, den jungen Russen, der als Geheimdienstler gegen die Nazis kämpft und dabei seine Ideale überprüfen muss.
Dass die Lebenslinien fast aller Charaktere mehr oder weniger stark miteinander verknüpft sind, hat zwar oft etwas Konstruiertes, schadet dem Roman aber nur bedingt, weil der sowieso weniger über tiefgründige Einsichten als über universelle Emotionen funktioniert. Ärgerlich sind allerdings die vielen Klischees. Von brutal aussehenden Nazi-Schlägertypen über den adligen Ehemann mit den unschönen sexuellen Vorlieben bis hin zu den – typisch für Follett – in jeder Situation mutigen und penetrant guten Heldinnen reicht die Palette.
Außerdem fühlte sich der Brite wohl berufen, der Welt mit dem Holzhammer zu erklären, dass auch im Dritten Reich nicht alle Deutschen böse waren. Historisch-didaktisch gesehen macht „Winter der Welt” dagegen richtig Spaß. Wie gewohnt bleibt der Bestseller-Autor dicht an der möglichen Realität, erklärt die politischen Zusammenhänge und Verwicklungen knapp und sachhaltig. Das liest sich trotz seiner Recherche-Genauigkeit locker und leicht – vielleicht auch, weil man keine Angst haben muss, literarische Höhenflüge zu verpassen, wenn man die eine oder andere Passage mal nur überfliegt. Follett-Fans werden das 1024 Seiten dicke Werk auf jeden Fall lieben.
Ken Follett: „Winter der Welt” (Bastei Lübbe, 1024 Seiten, 29.99 Euro)
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