Neue dunkle Wunder-Elfe

Ein Pakistanisch-britisches Mädchen bringt die Pop-Welt mit morbiden Märchen in Wallung
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Ein Pakistanisch-britisches Mädchen bringt die Pop-Welt mit morbiden Märchen in Wallung

Wenn sich so viele Experten auf eine so sperrige Newcomerin und ihre noch sperrigere Musik stürzen, dann ist das ein echtes Phänomen: Die 29-jährige britisch-pakistanische Songwriterin Natasha Khan, die unter dem Namen Bat For Lashes nun ihr zweites Album vorlegt, wird von Radioheads Thom Yorke, Chris Martin und Jarvis Cocker verehrt, von Kritikern mit Lobeshymnen überhäuft und sogar vom enigmatischen Scott Walker im Duett unterstützt.

In England ist sie bereits hoch in den Charts, in den USA war sie in der Show von David Letterman. Mal gilt sie als neue Kate Bush, dann wieder als Erbin von Siouxsie und Björk.

Die Songs erklingen meist in Moll, sind immer elegant, versponnen, bizarr. Sie vereinen traditionelle Weltmusik, Dance-Rhythmen und Dark Wave zu einem bunten Mix, aber atmosphärisch wird immer schwarz getragen bis hin zum Okkulten der Gothic-Fraktion. Das alles zusammen ergibt tatsächlich Pop, ein merkwürdiger, sofort wiedererkennbarer Sound: klingt wie gerührt, nicht geschüttelt.

Natasha Khan, geboren als Tochter einer Engländerin und eines pakistanischen Squash-Trainers, reiste schon als Kind mit ihrem Vater durch die Welt, später studierte sie Musik und Film.

Ein Hauch von Bollywood

Heute lebt die Multi-Instrumentalistin im englischen Brighton und arbeitet offenbar mit ihrem kreativen Potenzial und ihrer fundierten Ausbildung sehr gezielt daran, selbstbestimmt und unabhängig die Pop-Welt aufzumischen. Ihre mal avantgardistisch-schrillen, mal bollywoodartigen Kostüme entwirft sie großteils selbst. Sie ist verantwortlich für das Artwork ihrer Veröffentlichungen wie für das Bühnendesign, sie konzipiert ihre Videos und zählt sogar ein eigenes Plattenlabel zu ihrem Kosmos.

Die neue CD nahm sie an quer über den Globus verteilten Orten auf: In New York, London und der kalifornischen Wüste. Immer wieder wird ihre Musik in Beziehung gesetzt zu den Filmen von David Lynch – wobei dem Sphärenklang von Bat For Lashes für eine direkte Analogie zum Film Noir das Wilde, Vorantreibende, Eruptive fehlt.

Die Songs von Natasha Khan sind morbide Geister- und Märchenwelten, oft unheimlich, hin und wieder auch mal romantisch. Dabei bleiben die Töne stets künstlich und computerhaft, obwohl auch traditionelle Instrumente zum Einsatz kommen. Umso weicher und wärmer legt sich dann die Stimme der Chefin über die perfekt durchkomponierten Klanglandschaften und erzählt uns: Das Leben ist bunt und sonderbar.

Mainstream oder Avantgarde?

Tipp für Einsteiger: „Daniel“ heißt die Single aus dem Album – etwas gefälliger als das übrige Material, aber dafür zum Eingewöhnen umso besser geeignet.

Khan ist die neue dunkle Wunder-Elfe des Pop. Musik zum Schweben, konzentriert und entspannt zugleich. Die Frage wird nun sein: Ist das die künftige Spitze der Avantgarde oder nur eine düstere Ecke des Mainstream?

Michael Grill

Bat For Lashes: „Two Suns“ (EMI)

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