Neil Young: Auf Beutezug durch die USA
Man muss Neil Young nicht mögen, um „Americana” für ein großartiges Album zu halten. Aber wenn man Neil Young mag, wird man von diesem am Freitag veröffentlichten Werk restlos begeistert sein. Und das, obwohl es lediglich Cover-Versionen enthält. Aber was für welche!
Es ist ein Beutezug durch die US-Musikgeschichte, die der gebürtige Kanadier da gemacht hat – der 66-Jährige pickt sich die Herz- und Filetstücke aus 200 Jahren heraus: Von „Oh Susannah” über („Oh My Darling) Clementine” und „She’ll Be Coming Round The Mountain” bis zu „God Save The Queen”. Letzteres war bis 1931 quasi die Ersatz-US-Nationalhymne, Young musste als Kind den Song im Commonwealth-Staat Kanada in der Schule singen – ein fulminantes Stück zum Thronjubiläum, so kraftvoll wie die Version der Sex Pistols.
Da kommt kein Cowboy mit dem Banjo
Neil Young spielt erstmals seit sieben Jahren wieder mit seiner Band Crazy Horse. Intellektuelle würden nach dem Anhören des Albums vielleicht behaupten, Young dekonstruiere auf „Americana” die musikalischen Erbstücke der USA. Aber eigentlich jagt er sie alle – bis auf eins – durch den Schredder und setzt sie dann liebevoll johlend wieder zusammen. Da kommt in „Susannah” kein Cowboy mit seinem Banjo auf den Knien nach Louisiana, da wird gleich zum verkürzten Refrain und der zweiten Strophe übergeleitet. Dies ist eins der stärksten Stücke des Albums – übertroffen nur von „Clementine” und „She’ll Be Coming ’Round The Mountain”. Natürlich profitiert Young von der Grundstruktur dieser Evergreens – „Clementine” wird immer noch weltweit in Sportstadien gegrölt, „Coming ’Round The Mountain” ist in Deutschland besser bekannt unter dem Titel „Von den blauen Bergen kommen wir”. Aber wie Young diese Klassiker interpretiert, das hat Kraft, Charme und Witz. Und eine Geschichtsstunde ist es obendrein.
Das gilt erst recht für Woody Guthries „This Land Is Your Land”. Nicht mehr lieblich, aber sehr liebevoll gibt er diesem Song seine ursprüngliche Bedeutung, seinen ursprünglichen Verve und seinen ursprünglichen Text zurück und stellt singend im US-Wahljahr die Frage, wem dieses Land eigentlich gehört und wem es gehören sollte.