Nachdenkliches Saxophon mit Jodelgitarre

Dem Jazz mit dem Saxofon eine neue Richtung geben: Ingrid Laurocks „Anti-House“ in der Unterfahrt
von  Abendzeitung

Dem Jazz mit dem Saxofon eine neue Richtung geben: Ingrid Laurocks „Anti-House“ in der Unterfahrt

Komplimente klingen eigentlich anders, aber es schwang schon eine Art Bewunderung mit, als der Schlagzeuger Tom Rainey die Musik seiner heutigen Ehefrau Ingrid Laubrock als „Anti-House“ bezeichnete. Wer im amerikanischen wie deutschen Sprachgebrauch das Haus rockt, der hat das Auditorium hemmungslos auf seiner Seite. Doch das, was die mehrfach prämierte deutsche Jazz-Saxofonistin Ingrid Laubrock spielt, verweigerte sich schon immer den üblichen Erwartungshaltungen und zielte nie auf den größtmöglichen Effekt aus.

„In meinen Konzerten hören die Leute schon konzentriert zu, aber die Reaktion ist eher introvertiert“, sagt die aus der Nähe von Münster stammende Musikerin, die heute zwischen London (wo sie über zwanzig Jahre ohne Unterbrechung lebte) und Brooklyn pendelt. „Es gibt bei mir keine direkte Partystimmung, es wird nicht geschrien und gejohlt“, lacht die 40-Jährige. Auch wenn bei ihren Gigs nicht immer hysterisch gejubelt wird, ist die Begeisterung für die oft sperrigen Klänge der Instrumentalistin groß. Wie nur wenige versteht sie es nämlich, die Trennungslinien zwischen Notiertem und spontan Gespieltem aufzuweichen. „Seit ich frei improvisiere, hat sich das total auf die Musik ausgewirkt, die ich komponiere. Man bekommt nämlich ein ausgeprägtes Gefühl für das große Ganze, wenn man ohne Notengrundlage improvisiert“, erklärt sie. „Ich suche mir die Musiker, mit denen ich spiele, auch ein wenig nach ihrem Sinn für Formbewusstsein aus.“

Ihre Band „Anti-House“ bestückte sie entsprechend mit echten Kapazitäten im Bereich der ad-hoc-Strukturierung. Neben Tom Rainey und dem äußerst wendigen Bassisten John Hébert belebt Mary Halvorson das Quartett – eine Frau, der mancher Kritiker zutraut, eine Zeitenwende in der Geschichte der Jazzgitarre einzuleiten. Klare Linien und Phrasen münden bei ihr schon mal in einem infernalischen Geschrubbe, in Kamikaze-Glissandi. Und dank eines unkonventionell eingesetzten Delay-Pedals bringt die Halvorson reichlich verbeulten Tönen das Eiern und Jodeln bei.

Ssirus W. Pakzad

Unterfahrt, Einsteinstraße 42, heute, 21 Uhr, Eintritt: 16/8 Euro, Tel. 448 27 94

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