Mussorgsky tanzt jetzt multimedial

Von Argrich bis Tokarev - diese Woche dominiert der Steinway! Dazu setzen Pianist Leif Ove Andsnes und Performance-Künstler Robin Rhode die "Bilder einer Ausstellung" neu in Szene. Die AZ sprach mit dem Norweger.
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Braucht die Klassik neue Rahmen? Leif Ove Andsnes spielt Mussorgskys "Bilder einer Ausstellung" - dazu flirren Robin Rhodes Videos über die Leinwand.
NRK/Liv Ovland 7 Braucht die Klassik neue Rahmen? Leif Ove Andsnes spielt Mussorgskys "Bilder einer Ausstellung" - dazu flirren Robin Rhodes Videos über die Leinwand.
Der 39-jährige Norweger Leif Ove Andsnes wurde bekannt durch ungewöhnliche Programme - etwa das Schubert-Projekt mit dem Tenor Ian Bostridge.
Felix Broede / DG 7 Der 39-jährige Norweger Leif Ove Andsnes wurde bekannt durch ungewöhnliche Programme - etwa das Schubert-Projekt mit dem Tenor Ian Bostridge.
Hier spielt er noch ganz munter vor sich hin - doch bald füllt sich das Dock mit Wasser...
Tore Zakariassen / NRK 7 Hier spielt er noch ganz munter vor sich hin - doch bald füllt sich das Dock mit Wasser...
Ein bisschen Spaß muss sein... bei Yaara Tal und Andreas Groethuysen kommt das Vergnügen nicht zu kurz. In perfekter Harmonie sozusagen.
Michael Leis 7 Ein bisschen Spaß muss sein... bei Yaara Tal und Andreas Groethuysen kommt das Vergnügen nicht zu kurz. In perfekter Harmonie sozusagen.
Bella Martha spielt nicht gern allein, da müssen schon alte Freunde oder junge Kollegen dazu - und dann glüht die Argerich.
dpa 7 Bella Martha spielt nicht gern allein, da müssen schon alte Freunde oder junge Kollegen dazu - und dann glüht die Argerich.
Analyse mit Sentiment: Piotr Anderszewski.
Marc Ribes 7 Analyse mit Sentiment: Piotr Anderszewski.
Der Youngster unter den Klavierkönnern: Nikolai Tokarev.
Sony / Uwe Arens 7 Der Youngster unter den Klavierkönnern: Nikolai Tokarev.

Von Argrich bis Tokarev - diese Woche dominiert der Steinway! Dazu setzen Pianist Leif Ove Andsnes und Performance-Künstler Robin Rhode die "Bilder einer Ausstellung" neu in Szene. Die AZ sprach mit dem Norweger.

Er trägt aus Prinzip keinen Frack. In Jeans spielt sich’s eh bequemer. Und auf den ersten Blick schaut er mit seinen Stoppelhaaren und dem smarten Lachen nach Kalifornien und Surfen aus. Doch man sollte sich nicht täuschen lassen, wenn Leif Ove Andsnes am Flügel sitzt, zählt nur noch die Musik. Dann geht er auf Seelensuche, unprätentiös, feinfühlig. Und gibt sich experimentierfreudig. Mit dem Aktionskünstler Robin Rhode – seine Installationen waren vor zwei Jahren im Haus der Kunst zu sehen – setzt der stille Star am Piano Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“ in einen völlig neuen Rahmen. Das Ergebnis ist am Mittwoch im Prinzregententheater zu erleben.

AZ: Herr Andsnes, träumt ein klassischer Musiker nicht manchmal von der knackigen Bühnenshow eines Popstars?

LEIF OVE ANDSNES: Echt? Da würde uns ja Aufmerksamkeit verloren gehen...

Was steckt dann hinter Ihrem Mussorgsky-Projekt?

Wir wollten ein neues künstlerisches Feld betreten und Bild und Klang, Sehen und Hören, wirklich zusammen bringen.

Was bei den „Bildern einer Ausstellung“ ja nahe liegt.

Unbedingt, sie waren der Ausgangspunkt. Mussorgskys Musik ist extrovertiert, theatralisch. Sie schreit nach einer Visualisierung. Umgekehrt ließ sich der Komponist ja von den Bildern seines Freundes Viktor Hartmann inspirieren.

Und wie sind Sie gerade auf Robin Rhode gestoßen?

Ich habe mich bei verschiedenen Videokünstlern umgesehen, und was ich von Robin sah, gefiel mir sofort.

Was hat Sie angesprochen?

In seinen Arbeiten ist etwas sehr Musikalisches. Geschwindigkeit, Raum und Rhythmus erzählen hier Geschichten.

Wie ging das Team vor?

Robin kannte kaum klassische Musik. Also haben wir viel über das Werk gesprochen, ich gab ihm meine Aufnahmen. Und er hat das in seine Sprache übersetzt. Zum Beispiel Hartmanns durchaus politische Illustrationen weitergedacht: Aus dem Ochsenkarren der armen Juden wurden Wagen, die die Arbeiter in die Minen Südafrikas gebracht haben.

Sie spielen im Konzert noch Schumanns „Kinderszenen“. Auch mit Video?

Nein! Das ist viel zu intim. Aber man geht hier auch durch ein Galerie – die der Kindheit.

Am Ende der Mussorgsky-Bilder tauchen Sie mit dem Flügel in den Fluten ab.

Im Video! Für das monumentale „Tor von Kiew“ brachten wir das Piano in ein Schiffsdock – und während ich spielte, gingen die Schleusen auf.

Autsch, da versinkt ein wertvoller Flügel in den Fluten!

Der war schon ziemlich alt und sollte eh entsorgt werden...

Interview: Christa Sigg

Pictures Reframed, 2. Dezember, 20 Uhr, Prinzregententheater, 30 bis 52 Euro, Tel.936093

Ein Dreamteam schwimmt in Bach

Sie sind ziemlich verschieden: Andreas Groethuysen, der g’standene Bayer aus München, und Yaara Tal, die Frau mit den frechen dunklen Augen aus Israel. Aber wenn die beiden zusammen spielen, herrscht Harmonie. Trotz Eheschein! Da atmen zwei im selben Rhythmus, ein Blick genügt, schon strömt die Fülle des Wohllauts aus zwei Flügeln. Wenn’s sein muss auch die – passenden – Dissonanzen. Und zwischendurch explodieren spontane Pointen. Egal, ob sich die beiden den kauzigen Charles Koechlin vorgenommen haben oder eleganten Mendelssohn klimpern. Auch ihr neuer Coup überzeugt: Bachs Goldbergvariationen in der Rheinberger-Regerschen Version für zwei Klaviere (Sony) ist so frisch wie ein Windstoß im Gebirge, prickelt wie Sekt. Und widerlegt erst recht die skurrile Mär, die 32 Stückerl seien einst als Einschlafhilfe komponiert worden.

Tal & Groethuysen, heute, 30. November, 20 Uhr, Herkulessaal, 27 bis 62 Euro

Manchmal mag Martha zündeln

Wenn die Argerich keine Lust hat, kann das Orchester einpacken. Dann spielt sie ihren Stiefel. Gnadenlos. So wie vor fast zehn Jahren, als sie mit einer Truppe traniger Schwaben im Schlepptau durch Schumanns a-moll-Konzert donnerte. Wenn ihr das Gegenüber allerdings genehm ist, läuft bella Martha auch mit ihren 68 Jahren zur Hochform auf. Ob sie sich nun mit Pokerface Mikhail Pletnev über Prokofjews vertrackte „Cinderella“-Suite hermacht oder im geistvollen Dialog mit dem geigenden Gewissen Gidon Kremer die Philharmonie in Berlin abfackelt. Dann ist alles drin, nach oben gibt es keinerlei Grenzen. Mit dem 32-jährigen Alexander Mogilevsky schiebt die Argerich wieder mal begabten Nachwuchs ins Rampenlicht, wofür man ihr nicht genug auf die Schulter klopfen kann. Morgen spielen die beiden späten Schubert, Prokofjew, Tschaikowsky und Rachmaninow – für zwei Klaviere.

Argerich & Mogilevsky, 1. Dezember, 20 Uhr, Prinzregententheater, Karten zu 45 bis 90 Euro, Tel. 98292827

Piotr und die Poesie der klaren Töne

Irgendwie kleben die Polen am Piano. Zumindest seit Chopin. Und nach Arthur Rubinstein und Krystian Zimerman ist Piotr Anderszewski der unüberhörbare Beweis, dass unsere Nachbarn unbedingt weiter so intensiv an den Tasten werkeln sollten. Hinter diesem etwas fordernd dreinblickende Rollkragen-Beau mit der verwuschelten Fönfrisur steckt ein klarer Kopf, ein Analytiker, ein Architekt. Das zeigt vor allem sein außerordentliches Bach-Spiel; durch die c-moll-Partita wird man wie von einem seidenen Band gezogen, vorbei an den kühlenden Köstlichkeiten einer Winterlandschaft. Pedalnebel und anderer Schnickschnack gehören sowieso nicht zu Anderszewskis Kosmos. Auch Schumanns „Faschingsschwank aus Wien“ besticht durch Klarheit – und doch ist in jedem Detail, in jedem tänzerischen Überschwang noch zarte Melancholie und ja, Poesie. In München spielt der 40-Jährige zwei Bach-Suiten, Schumann und Beethovens Diabelli-Variationen. Für Piotr also das ideale Programm.

Mittwoch, 2. Dezember, 20 Uhr, Herkulessaal, 29 bis 52 Euro, Tel. 98292827

Tschaikowsky ohne Schnulz

Für sein letztes Münchner Konzert vor einem Jahr zog er sich eine DJ-Ötzi-Mütze über. Was weniger Coolness andeuten, als ein paar Schrammen verdecken sollte. Nikolai Tokarev hatte kurz vor seiner Abreise in Moskau einen Autounfall. Doch was andere zur Absage zwingt – am Handrücken waren noch deutliche Blessuren zu sehen – gab dem jungen Russen eher einen Extrakick. Der zierliche Dreitagebartträger wollte gar nicht mehr aufhören, ausgerechnet nach Ravels „Gaspard“, einem Brocken, den der 26-Jährige zwar noch nicht wirklich durchdrang (das gelingt allerdings auch den wenigsten erfahrenen Pianisten), aber mit viel Feinsinn anging. Damals gab’s schräg-ekstatische „Nussknacker“-Bearbeitungen als Dreingabe, was die Weihnachtsstimmung schön entschnulzte. Am Samstag spielt Tokarev Tschaikowsky pur, aus den „Jahreszeiten“, aus „Pique Dame“ oder russische Dorfszenen. Das dürfte nach den letzten Kostproben sehr anregend sein.

5. Dezember, 20 Uhr, Herkulessaal, 24 bis 45 Euro, 8116191

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