Musikalische Lebewesen am Wirtshaustisch

Der Jazztrompeter Matthias Schriefl liebt die Volksmusik seiner Heimat – am 7. August spielt er im Münchner Künstlerhaus
Christian Jooß |
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Wie es anfing? Mit einer Stichwahl um das Amt des Dirigenten der Blaskapelle in Maria-Rain im Oberallgäu. Da unterlag der Vater gegen einen anderen. Um den Frieden nicht zu stören, verließ der Vater die Gruppe und beschloss, eine eigene Blaskapelle zu zeugen. Ergebnis: sechs Kinder. Als der sechsjährige Bruder eine Trompete bekam, wollte der dreijährige Matthias Schriefl auch eine haben. Mit einer Plastiktrompete ließ er sich nicht ruhigstellen. Also bekam er immerhin einen Trompetentrichter, „sozusagen eine halbe Trompete”, erzählt er.

Drei Jahre ließ ihn der Vater warten. Am 31. Dezember 1987 gab er ihm seine erste Trompetenstunde. Schriefl hat sich das gemerkt: „Von diesem Tag an habe ich soviel gespielt und geübt, wie es irgendwie ging – und es hält immer noch an.” In München und Köln hat er studiert, hat mit seiner Band Shreefpunk den Jazz zum Punk gebracht – oder umgekehrt. Neben anderen Auszeichnungen wurde er 2007 von der AZ mit einem Stern des Jahres geehrt. „Six, Alps & Jazz” heißt seine neue, bei ACT erschienene CD. Hier setzt sich die Volksmusik zünftig mit dem Jazz an einen Wirthaustisch.

Im Jazz gibt es nicht viele deutsche Vorbilder für die Verbindung von Jazz- und Volksmusik. Allerdings, sagt Schriefl, gebe es Volksmusiker, die auf den Jazz zugegangen seien. Die Unterbiberger Hofmusik beispielsweise. Bei denen spielt Schriefl öfter mit. Im österreichischen Raum fällt ihm Wolfgang Puschnik ein, der als Jazzer mit Blaskapellen gearbeitet hat. Volkmusik gleich Traditionspflege gleich konservative Haltung? Der Blick auf die Volksmusik hat sich stark geändert: „Volksmusik muss sich genauso wie Jazz weiterentwickeln, sonst ist sie tot.” So ist das bei jedem Lebewesen, sagt Schriefl – und Musik sei eben auch ein Lebewesen: „Die allermeisten Volksmusiker musizieren im Hier und Jetzt und nicht in der Vergangenheit.”

Gerne und oft spielt er noch Konzerte im Allgäu. Maria-Rain – für Schriefl ein paradiesischer Ort. Ein Ort der Kindheitssicherheit, wo ein Auto mit fremdem Kennzeichen schon für Interesse sorgt.
Für sein Album hat Schriefl auch eigene Stücke komponiert. Wie schreibt man ein Volkslied? „Volkslieder sind nicht kollektiv tausend Leuten gleichzeitig eingefallen, sondern sie hat auch jemand komponiert”, sagt Schriefl. Durch die Verbreitung änderten sich Texte, oft auch die Melodien. Ein Volkslied zu schreiben ist für ihn „eigentlich auch eine Anmaßung. Ich habe nur versucht, im Volksliedidiom zu komponieren. Ich mag Melodien, und ich mag, wenn Leute aus dem Konzert kommen und noch eine Melodie im Kopf haben.” Ein Unterschied zum Gros des Jazz. Intellekt ist natürlich nützlich für einen Musiker, vor allem, wenn er bescheiden im Hintergrund bleibt, findet Schriefl. In dem Moment, in dem man auf der Bühne steht, solle man aber ein Kind sein und Spaß haben.

Schriefl sieht bei dem, was er gerade macht, Verbindungen zum New-Orleans-Jazz, wo, ausgehend von einer bekannten Melodie, improvisiert wird, um am Ende wieder zur Melodie zurückzukehren. Ähnlich wie in Amerika hat gerade der deutsche Alpenraum einen, wie Schriefl sagt, „wahnsinnigen Reichtum” an solchen bekannten Melodien.

So funktioniert seine Adaption der Volksmusik als Türöffner für Menschen, die nichts mit Jazz zu tun haben. Auf die Rolle des Volksmusikneuerers will Schriefl allerdings nicht festgelegt werden. „Diese Band ist eine Facette von mir. Das heißt noch lange nicht, dass ich solche Bands wie Shreefpunk nicht mehr mag.”

„4, Alps & Jazz” heißt das Programm im Münchner Künstlerhaus. In verschlankter und veränderter Besetzung strebt Schriefl schon wieder nach Neuem. Neben dem Alpinen hat er sich auch alten Schlagern zugewandt. Der Reiz des Verboteten. Aber die musikalische Vorlage und das, was du daraus machst, sind bei Schriefl ja zwei verschiedene Dinge.

Münchner Künstlerhaus (Innenhof), 7. August, 20.30 Uhr, 25, erm. 19 Euro, Tel. 54 81 81 81

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