Zu schön für den wahren Wahnsinn
Kernig dunkler Bariton und delikat zwitscherndes Sopranvögelchen – allzu selten finden sie auf amourösen Pfaden zueinander. Und so verging fast ein ganzer Abend in der gut gefüllten Philharmonie, bis Olga Peretyatko und Dalibor Jenis erst Patschhändchen reichend, dann gar nicht mehr zögerlich in „Là ci darem la mano” aus Mozarts „Don Giovanni” auf Tuchfühlung gingen.
Die attraktive Russin gurrte sich bei dieser Zugabe förmlich ins Séparée, ihr vorher eher phonstark auftrumpfender Galan legte charmierende Wärme in sein Werben. Und man hätte gerne mehr von diesen Tändeleien gehabt. Oder zumindest die Andeutung einer Vater-Tochter-Beziehung im „Rigoletto”-Duett „Tutte le feste al tempio”. Denn da klebten Jenis’ Augen vor allem in der Partitur (die Wütereien gerieten etwas holzschnitthaft), was „Gilda” Peretyatko dazu animierte, sich brav auf ihren Gesang zu konzentrieren.
Leicht geht ihr der aus der Kehle, wunderbar lyrisch in den Koloraturen und biegsam bis weit hinauf zum Gipfel (der schon mal einen Halbton tiefer ausfällt), wo dann flott attackiert wird. Die Koketten wie Zerlina liegen der Russin besonders, das Programm sah allerdings Verdis höchst irritierte Violetta („È strano”) und Donizettis dem Wahnsinn verfallende Lucia di Lammermoor vor. Beide Rollen füllt die Peretyatko technisch famos, doch ihre Traviata rührt (noch) nicht ans Existenzielle, die Lucia bleibt etwas klinisch, auch eitel. Wobei sie im Duett mit dem Flötisten Piet de Boer zu eindringlichen Tönen findet. Ein gutes Gegenüber kann eben sehr anregend sein. An diesem Abend waren das in erster Linie die italophilen Münchner Symphoniker unter der Leitung von Michele Mariotti.
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