Wo war Verdi?

Das musikalische Programm am Odeonsplatz setzte leider im Jubiläumsjahr von Verdi und Wagner auf zu wenige Gassenhauer
von  Robert Braunmüller

„Himmlisch schön“, aber auch „teuflisch nass“ war‘s in den letzten Jahren. Daran erinnerte der städtische Kulturreferent Hans-Georg Küppers in seiner Begrüßung zu „Klassik am Odeonsplatz“. Heuer hat der Doppel-Abend im schönsten Konzertsaal Münchens den Jackpot der Wetterlotterie geknackt:

Am Samstag wölbte sich bei lauen Temperaturen ein blauer Himmel über die 8000 Zuhörern und den Musikern - und auch am Sonntag wird das Wetter halten. Küppers taufte noch schnell Rolando Villazón zum „Ronaldo“ um, was ihm sogleich das Raunen der Fans einbrachte. Die mussten dann durch Verdis Ouvertüre zur „Sizilianischen Vesper“ und das längliche Autodafé aus „Don Carlos“ durch. Thomas Hampson sang noch die „Vision fugitive“ aus Massenets „Hérodiade“, ehe der Herzensbrecher der Oper endlich erschien.

Villazón sang mit unbändiger Kraft und einer Portion Überdruck die Arie „O Souverain“ - ein hübsches Glanzstück aller Tenöre. Nur, warum schon wieder Massenet? Es ist doch Verdi- und Wagner-Jahr! Auch sonst wirkte das Programm allzu sehr in Gremiensitzungen des Bayerischen Rundfunks ausgewogen. Ans zahlende Publikum auf dem Platz dachte man dabei weniger: Zwei Arien und ein Duett im offiziellen Programm sind bei aller Wertschätzung für den Chor und das Symphonieorchester des Senders karg bemessen. Wenn Hampson und Villazón angekündigt werden, wollen die Leute diese Stars hören, und nicht Maurice Ravels „La valse“. Da reichte der flaue Applaus nicht einmal für eine Rückkehr des Dirigenten Yannick Nétzet-Seguin, der diesen Edelorchesterreißer viel zu sehr auf der Stelle treten ließ. In Block A 4 klang es recht topfig und mulmig, was französischer Orchestermusik gewiss nicht guttut.

Nach der Pause gab auf die reichliche Sättigungsbeilage von Chor- und Orchester immerhin drei Kügelchen Kaviar: Wagners „Lied an den Abendstern“, ein von Luciano Berio effektvoll instrumentiertes Verdi-Klavierlied und - endlich! - das Freundschaftsduett aus Verdis „Don Carlos“ als Finale des offiziellen Teils. Hampson und Villazón umarmten die Menschheit - und für ein paar Minuten blitzte es auf, das große Operngefühl. Wer sich nun auf „La donna e mobile“ mit Villazón und eine der vielen berühmten Bariton-Nummer von Verdi gefreut hatte, bekam als Zugabe ein Opernseminar verpasst: Hampson sang einen Knaller aus dem zu Recht vergessenen „Il Corsaro“, Villazón machte den Schmerzensmann mit einer Verzweiflungsarie aus Verdis Erstling „Oberto“.

Gegen halb elf lag die zweite berühmte Verdi-Szene für Tenor und Bariton in der Luft: das Duett aus der „Macht des Schicksals“. Doch nein! Es folgte - immerhin - das unverwüstliche „Va pensiero“, der Gefangenenchor aus „Nabucco“. Und für drei Minuten gönnte uns die gestrenge Dramaturgie des Abends doch noch die Freude des Wiedererkennens einer berühmten Verdi-Melodie.

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